Robert Musils „Törless“ im Kleinen Theater: kunstvoll puristisch und zielgenau

Die komplexe Internatsfabel erzählt die Geschichte von Törless und seinen Mitschülern. Regisseur Boris von Poser schafft eine klare und kluge Inszenierung.

Berlin-Mit seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ schrieb Robert Musil Literaturgeschichte – auch wenn er das große Werk, von dem zwei Bände 1930 und 1933 erschienen, nicht vollendete. Wie eine Studie dazu lässt sich sein früher Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ (1906) lesen, der quasi die Vergangenheit der späteren Hauptfigur Ulrich ausbreitet.

Die Schüler: Justus Verdenhalven, Fabian Oehl, Marco Litta, Anthony Paul.
Die Schüler: Justus Verdenhalven, Fabian Oehl, Marco Litta, Anthony Paul.

Unter dem Titel „Törless“ hat Boris von Poser nun im Kleinen Theater die komplexe Internatsfabel auf die Bühne gebracht. Ein paar schäbige Metallbetten sind vorn aufgereiht und bilden eine Art Schutzwall zum harten Geschehen. Vier junge Männer in militärisch anmutenden Schuluniformen treten mit helmartigen Kopfmasken auf, als wären sie Törless mal vier. Nach und nach entwickeln sie sich dann zu anderen Personen.

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Gebrochen und gedemütigt, vergewaltigt und geprügelt

Einzig Fabian Oehl bleibt konstant Törless. Anthony Paul und Justus Verdenhalven spielen mehrere Rollen und vor allem zwei seiner Mitschüler. Marco Litta gibt Basini, der nach der Aufdeckung eines Diebstahls zum Opfer wird.

Das Mobbing ist subtil wie brutal, er wird gebrochen und gedemütigt, vergewaltigt und geprügelt. Während die einen ihre sadistischen Quälereien genussvoll ausweiten, folgt ihnen Törless passiv und mit eher philosophischem Interesse. Ganz kann er sich der Gruppendynamik freilich nicht entziehen, will sich aber auch nicht entschließen, Basini zu helfen. Er verspürt einen starken „innerlichen Hunger“ angesichts des ihm völlig sinnlos erscheinenden menschlichen Tuns im allgemeinen. Darauf reagiert er, indem er mit seinem „Gehirn turnt“ und über allerlei „Denknotwendigkeiten“ grübelt.

Die Elite-Bürschchen.
Die Elite-Bürschchen.

Boris von Poser findet in seiner klaren, klugen Inszenierung für diese Gedankenexperimente eindringlich stilisierte Bilder – und ebenso für die geradezu mechanisch ausgeübten Gewaltakte, die Basini über sich ergehen lassen muss. Mit hochkonzentrierter physischer Energie wird eine Choreographie aggressiver Ausbrüche gezeigt, bei der kein Theaterblut fließt und das Publikum von keinem nackten Grauen überrumpelt wird. Ob bei einer Prostituierten oder im Internat, es sind abgefeimte Gesten der Arroganz und kalkulierte Eruptionen von Rohheit, mit denen die Elite-Bürschchen ihre künftigen Herrschaftsansprüche anmelden.

Immer wieder erklingt schillernde, rhythmisch pulsierende Musik von Wolfgang Böhmer, die sie sublim steuert und antreibt. Kunstvoll puristisch und zielgenau erzählt Boris von Poser mit dem hervorragenden Ensemble von dieser herzlosen Pubertät, die in ihrer psychologischen Verästelung schon subkutan die Machtpathologien des Nationalsozialismus andeutet.

Törless 15., 17.1., 1., 2., 29.2., Kleines Theater, Südwestkorso 64, Tel. 821 20 21