„Rock or Bust“ von AC/DC: Rock-Veteranen AC/DC bleiben sich treu

Berlin - Rock’n’Roll, darum geht es. Nur darum. Mit „Wackeln und Wälzen“ lässt sich dieser schon etwas betagte Genrebegriff ganz gut ins Deutsche übersetzen. Er beschreibt auch sehr genau, was die Musik von AC/DC ist, was sie nach dem Willen der Brüder Angus und Malcolm Young immer sein sollte: ein infantiles und infernalisches Gedöns. Wer das jetzt nicht glaubt und sich stattdessen vor einer der dienstältesten und erfolgreichsten Bands auf diesem Planeten in den Staub werfen möchte, frage einmal den jüngeren der beiden Brüder, den um keine Ausrede verlegenen Leadgitarristen Angus: „Ob es alberne AC/DC Songs gibt? Das fragst du einen 59-jährigen in Schuluniform?“ Und: „Andere Bands schreiben vielleicht Balladen, AC/DC machen Rock’n’Roll.“

Räudiger Charme

Das hätten wir also geklärt. Wackeln und Wälzen übrigens, das versteht jeder sofort, der AC/DC einmal bei einem Konzert erleben durfte – die mittlerweile etwas betagteren Herren bringen ein fußballstadiongroßes Publikum immer noch kräftig in Wallungen. Im Rock’n’Roll steckt ansonsten viel Wahrheit. Dieser Musikstil ist zwar älter als die von den Young-Brüdern 1973 in Sidney gegründete Band, doch haben AC/DC von Beginn an daraus ihren besonderen Witz bezogen: Aus einiger historischer Distanz verleibten sie sich den lärmenden Jugendprotest der 1950er und 60er Jahre ein und ironisierten ihn zu einem einzig großen, allemal bierkneipengeeigneten Mitgrölspaß. Das war nicht nur enorm klug, sondern auch ein ewig gültiges Rezept.

In der Folge musste sich die Band musikalisch kaum mehr weiterentwickeln. So etwas spart Kraft in ästhetischen Belangen, Kraft, die man dann für das Spaßhaben übrig hat. Wie gut, dass es nun genau so weitergehen kann: Auch das neue Album „Rock or Bust“ bietet keine Überraschungen. Alles wie gehabt, reiner Rock’n’Roll, allerdings einer mit dieser ironischen Distanz. Musikkenner nennen das gerne Hard Rock, aber davon wollen wir uns hier nicht beeindrucken lassen. AC/DC spielen ohnehin in einer eigenen Liga. Wichtig ist vielmehr, ein Missverständnis auszuräumen, dass darin besteht, die ewig gleiche Musik der Band als Ausweis ihrer Kompromisslosigkeit gegenüber der chartseligen und profitgierigen Kulturindustrie zu betrachten.

Was soll das denn heißen? AC/DC spielten „ehrlichen“ und „schnörkellosen“ und damit auch „authentischen“ Hard-Rock? So mit echten Gitarren und alles handgemacht? Quatsch! AC/DC sind genauso echt wie, sagen wir, Helene Fischer oder Florian Silbereisen. In dem, was Echtheitsfragen betrifft, ohnehin frivolen Musikbetrieb sind AC/DC nur die konsequentesten Spaßmacher. In dieser Kompromisslosigkeit besteht ihre eigentliche Authentizität. Oder, wie es treffend in „Rock The Blues Away“ heißt, dem dritten Song des neuen Albums: „It’ll be rocking/ It’ll be rolling / It’ll be laughing / We’ll be joking / We’ll be rollin’.“ (Das wird ein Gewackel / Das wird ein Gewälze / Das wird ein Gelache / Wir werden herumalbern / Wir werden uns wegkugeln).

Ja, Blues ist doof, Rock pustet ihn einfach hinfort. Eine klare Kampfansage gegen die Trübsalblaserei. Das gilt übrigens auch für die etwas ernsteren Themen, wie „Dogs of War“ eindrücklich beweist: Der fünfte Song des Albums beschäftigt sich zwar mit dem schnöd-traurigen Soldaten- und Söldnerdasein, kommt aber textlich über das „bisschen Frieden“ von Nicole kaum hinaus. Was AC/DC der deutschen Eurovision-Song-Contest-Gewinnerin von 1982 allerdings voraushaben, ist der saftige Gitarrensound. Ein echtes Plus verglichen mit dem naturtrüben, unentschlossenen Herumgezupfe der Akustikgitarre spielenden Nicole. Bei AC/DC schwingen sogar leichte Reminiszenzen an Jimi Hendrix’ gitarristischer Vietnamkriegskritik mit. Rock kann einfach mehr.

Sechs Jahre nach „Black Ice“, dem letzten Studioalbum, setzt sich mit „Rock or Bust“ allerdings ein Trend fort: AC/DC verlieren allmählich ihren räudigen Charme; die überschüssige Kraft, die sich der ästhetischen Askese, dem Immer-Gleichen verdankt – diese Spannkraft versiegt. Keine Sorge, wir wollen an dieser Stelle nicht in die bei hartgesotteten AC/DC-Fans beliebte Klage einstimmen, dass nach dem viel zu frühen Tod des legendären Sängers Bon Scott (1946-1980) oder nach den epochalen Alben „Highway to Hell“ (1979) und „Back in Black“ (1980) ohnehin alles schlechter geworden sei. Vielmehr ist es so, dass Drogen und Alter nicht spurlos an der Spaßtruppe vorübergegangen sind. Auch die Dauerparty wird irgendwann einmal anstrengend.

Trademark-Gitarrenriff

Erst im September gab die Band bekannt, dass Malcolm Young in Folge eines Schlaganfalls an Demenz leide und deswegen die Band endgültig verlassen habe. Der Rhythmusgitarrist wurde schon bei den Aufnahmen zum neuen Album durch den geradezu sensationell jungen Neffen der Young-Brüder ersetzt, den erst 1956 geborenen Stevie Young. Im November folgte dann der nächste Schlag: Das ohnehin skandalerprobte Raubein, der Schlagzeuger Phil Rudd, geriet wegen Morddrohungen und Drogenbesitz in Konflikt mit der neuseeländischen Justiz. Diesen Mittwoch hatte er gerade wieder einen Gerichtstermin. Ob er in der Band bleiben und auch auf Tournee gehen wird, ist nach Aussagen von Angus Young und Sänger Brian Johnson ungeklärt.

Und was bleibt? Von dem neuen Album gewiss der Song „Play Ball“ und sein dringlicher Kneipe-Feiern-Saufen-Appell, unterlegt mit einem AC/DC-typischen Ohrwurm-Trademark-Gitarrenriff: „I said it’s party time / When I’m on the loose.“ (Ich sage, es ist Party-Zeit / Wenn ich mich gehen lasse) Genau so. Rock’n’Roll eben.