Rom & Peter: Die verkorkste Abreise

Nach seinem Rom-Stipendium will Peter Wawerzinek nicht wieder zurück nach Berlin. Eine weitere Depesche aus der Ewigen Stadt.

Illustration: Klaus Zylla

Rom-Zeit genug zu packen und zu frühstücken, den Abwasch zu erledigen, das Zimmer aufzuräumen. Klug kalkuliert dieses Mal, so herrlich stressfrei, denke ich. Und dann machen wir uns auf den Weg, sind rechtzeitig am Bus. Sitzen die halbe Stunde bis zur Abfahrt des Shuttles mit Blick zur Haltestelle auf einen Kaffee. Zeigen unsere Tickets per Handy her, checken ein, nehmen Platz gleich hinter der Mitteltür, wo meine Freundin und ich am liebsten sitzen.

Ich lese in dem Buch „Stimme Stimme“ von Wolfgang Hilbig, 1983. Für die zwei Lesungen zum achtzigsten Geburtstag des Dichters. Den hätte er feiern können, lebte er noch. Ein Text so gut wie die nächsten. Und sind dann am Flugplatz, gehen an allem vorbei, haben die Tickets ausgedruckt anbei. Und wie ich ihn nicht auf der Anzeigetafel sehe, ahne ich es schon. Zücke nur noch zur Bestätigung das Papier. Ich hatte beim Lesen die Lesebrille nicht aufgesetzt, las 15 Uhr statt 13 Uhr. Und weiß also sofort Bescheid. Die Klappe ist zu. Den Flug können wir vergessen.

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Was tun?, meine Frage am Infostand. Für hundert Euro pro Nase kann sie uns den Flug auf den nächsten Tag umbuchen, sagt die junge Frau hinter der Scheibe. Ob ich per Karte zahle oder cash? Cash, sage ich. Sie weist auf den Bezahlautomaten. Der nimmt meine frischen Hunderter nicht an. Hundert und gewundert, reime ich im Kopf, um weiterhin ruhig zu bleiben. Sie kommt herum, reibt die Scheine an ihrer Hose, an der Scheibe, dem Automaten gar selbst. Alles umsonst. Der Kasten spuckt sie aus wie ein Kind ekligen Spinat.

Die Schlange hinter uns wird länger. Ein Damenschuh klickt nervös auf den Fußboden. Ich sehe nicht einmal hin, überhöre es cool. Die junge Helferin ist wieder in ihrem Kabuff. Sie wird einen zweiten Automaten aktivieren, versichert sie. Muss etliche Telefonate deswegen führen, Kabel einstöpseln, Tasten drücken. Dann endlich leuchtet die Zuführritze bläulich. Der Zweitautomat ist brav. Er behält die Hunderter in seinem Bauch. Bezahlt, gestempelt, ausgehändigt mit dem Hinweis an mich, mir die Uhrzeit diesmal zu merken, sind wir entlassen.

Die Fahrt zurück mit dem Normalverkehr. Bus und Bahn. Umsteigen und Ankommen. Und sind dann beide wieder daheim in der aufgeräumten, leicht abgedunkelten Wohnung. Gepäck abgestellt. Nur noch die Technik herausgenommen, Laptop, Handy, Ladestrippen. Und neuerlich nach der besten Verbindung zum Flughafen gefahndet. Gesucht, gefunden. Danach haben wir frei für etliche Stunden. Statt in Deutschland um die Ecke beim Inder essen zu gehen, sitzen wir uns in Rom beim Römer gegenüber.

Ich nehme Hühnchen in Weinsoße mit Oliven, violett, entkernt. Andrea Ravioli mit Käsefüllung. Zu zweit genießen wir den unfreiwilligen Abend, der in die laue Nacht übergeht. Und gehen dann ohne Umwege nach Hause. Dort angekommen mix ich mir einen nichtalkoholischen Begrüßungsdrink. Wir spielen Lotto. Heut ist so ein Tag, da könnten wir Gewinner sein. Rom, sagt meine Freundin gut gelaunt, lässt uns halt nur ungern los.