Rudimental im Postbahnhof Berlin: Haus voller Flummis

Zu den tollsten Debütanten des Jahres 2013 zählten zweifellos Rudimental: Auf ihrem ersten Langspielwerk „Home“ verbanden die vier Londoner DJs und Produzenten angemessen avantgardistisch zusammengebastelte Dubstep-Beats und die dazugehörigen wobbelnden Bässe mit Bläsersätzen, Steeldrums, Rockgitarren und einem gelegentlich wuchtig hineingedroschenen Analogschlagzeug. Das seinerzeit gerade im Hitparaden- Mainstream angekommene Genre erweiterten sie um einen kurzweiligen Big-Band-Eklektizismus. Zu Gast war zudem eine ganze Riege an aufstrebenden britischen Popsängerinnen und -sängern: von dem jungen Schmachtbarden John Newman, der mit Rudimentals „Feel the Love“ seinen ersten Sommerhit hatte, über die gegenwärtig als „neue Adele“ gehandelte Ella Eyre bis hin zu Foxes, die mit ihrer von sonderbar dunklen Untertönen unterwühlten Mädchenstimme auf dem besten Stück des Albums zu hören war, „Right Here“.

Für die Lässigkeit und Virtuosität Rudimentals bietet „Right Here“ das beste Beispiel: Fabelhaft, wie sie unter dem melodisch unbeirrten Gesang unablässig die Taktarten wechseln, gerade Techno-Beats mit stotternden Dubstep-Synkopen zersetzen und dann wieder zu schön organischen Grooves zurückfinden; und besonders begeisternd, wie im letzten Drittel dann auch noch eine singend solierende Flying-V-Gitarre die Führung übernimmt. Beim ersten Foxes-Konzert in Berlin – vor ein paar Wochen im Vorprogramm von Pharrell Williams – konnte man das Stück bereits live auf der Bühne hören, in allerdings leicht enttäuschender Weise: Von einer konventionellen Pop-Band in komplexitätsreduzierter Form dargeboten, verliert es doch erheblich an Charme und Drive.

Womit wir mitten im Problem wären. Denn die Version, die Rudimental am Dienstag bei ihrem ersten Berlin-Konzert boten, war sogar noch schlechter als jene von Foxes. Aus allerdings entgegengesetzten Gründen: Sie bemühten sich nicht um Komplexitätsreduktion, sondern versuchten hier wie während des gesamten Auftritts, ihren musikalischen Maximalismus auch live umzusetzen und zu überbieten: mit diversen mit- und gegeneinander antretenden Keyboards und Samplern, mit Saxofon, halb-elektronisch-halb-analogem Schlagzeug, zwei leider nur mäßig überzeugenden Toursängerinnen und einem Sänger und dem gruppeneigenen DJ Locksmith als zwanghaft gute Laune verbreitendem Einheizer; auch der Rest der Besetzung hüpfte auf der überfüllten Bühne herum wie ein Schock Flummis.

Damit motivierten Rudimental zwar die Menge im gut gefüllten Saal zum heiteren Händeschwenken und Huhu-Rufen. Musikalisch fanden sie aber an keinem Punkt zueinander. Schon bei „Right Here“ am Anfang des Auftritts geriet der Drummer komplett aus dem Tritt. Über fast den gesamten Abend hinweg misslang die Balance zwischen elektronischen und live eingespielten Sounds, die Filigranität der Arrangements ging an der hyperaktiven Darbietung zuschanden. Um diese Musik live wirken zu lassen, müsste man sie entweder deutlich abspecken oder im Gegenteil noch demonstrativ muckerhafter aufführen. Der Mittelweg hingegen bringt ihr den Tod.