Schwarze Kunst: Der Black-Metal-Film „Lords of Chaos“

Kultur zu Hause: Unsere tägliche Empfehlung für Bücher, Filme, DVDs und Webseiten, mit denen sich die ausgangsfreie Zeit überbrücken lässt. Heute ein filmischer Blick in die Abgründe der norwegischen Metal-Szene.

Rory Culkin in dem schwedischen Film „Lords of Chaos“
Rory Culkin in dem schwedischen Film „Lords of Chaos“Ufo Distribution

Anfang der 90er brannten in Norwegen mehrere Holzkirchen bis auf die Grundmauern nieder. Deren bekannteste war die im 13. Jahrhundert erbaute Stabkirche von Fantoft. Kurz nach dem Anschlag war auf einem Cover des Bandprojekts Burzum ein Foto der Ruine abgebildet, als Werbegag lag ein Feuerzeug bei. Die EP trug den Titel „Aske“ – Asche. Bandgründer Kristian Vikernes wurde 1994 zu 21 Jahren Haft verurteilt, von denen er 15 Jahre absaß.

Kalkulierte Aufmerksamkeit

Verhaftet worden war er nicht wegen der Brandstiftungen, sondern wegen des Mordes an seinem einstigen Freund und Kollegen Øystein Aarseth, dem Gründer der Band Mayhem. Im Rahmen der Ermittlungen konnten die Verwicklungen des Täters und der norwegischen Black-Metal-Szene mit den Anschlägen nachgewiesen worden. Das Land im Norden Europas stand plötzlich mit einer beispiellosen Verbrechensserie in den Schlagzeilen, das so gar nicht seinen Klischees entsprach. Als der schwedische Regisseur Jonas Åkerlund ankündigte, sich unter dem Titel „Lords of Chaos“ des Stoffes anzunehmen, sorgte das für die kalkulierte Aufmerksamkeit.

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Neben Werbespots für globale Marken wie Hugo Boss, Adidas oder Ikea sowie Videoclips für U2, Iggy Pop oder die Rolling Stones war er vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Rammstein bekannt geworden. Der auch visuell rauschhafte Drogenexzess „Spun“ war 2002 sein Kinodebüt.

Sehenswerter Bonusfilm

Um es vorweg zu nehmen: „Lords of Chaos“ erfüllt nicht die in ihn gesetzten Erwartungen. Grundlegende Fragen – wie die nach der Verletzbarkeit offener Gesellschaften durch Demagogie oder nach der Ambivalenz von Jugendkulturen zwischen Rebellion und Regression – werden gar nicht erst gestellt. Stattdessen spult Åkerlund ein nur selten inspiriertes Nummernprogramm ab, dessen Faktenhintergrund sich genauso gut nachlesen ließe.

Dass es das Böse gibt, wissen wir längst aus Geschichtsbüchern und täglichen Nachrichten. Um ihm künstlerisch beizukommen, braucht es schon etwas mehr als die hier zelebrierten Oberflächeneffekte. „Lords of Chaos“ war bislang nur im Rahmen des Fantasy Film Festivals zu sehen. Seine Veröffentlichung auf BluRay wird zum Glück von einem unbedingt sehenswerten Bonusfilm begleitet.

Es empfiehlt sich, „Until the Light Takes Us“ vor dem Hauptfilm anzusehen. Hier werden die Hintergründe angenehm unaufgeregt und auch unpädagogisch aufgerollt, die Klüfte in der norwegischen Wohlstandsgesellschaft werden dadurch viel deutlicher sichtbar. Bereits 2008 gedreht, basiert die Dokumentation auf viel Originalmaterial sowie auf Gesprächen mit Akteuren der Szene, nicht zuletzt Kristian Vikernes selbst. In Militärtracht vor Mikro und Kamera sitzend, gibt er seine kruden Ideen zum Besten. Dies bedarf keiner weiteren Wertung oder Illustration.

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Ufo Distribution
„Lords of Chaos“ und „Until the Light Takes Us“
BluRay, zirka 10 Euro