Fünf Nächte am Stück: So was kriegt eine Singlefrau ganz selten angeboten

Unsere Autorin ist krank, hat aber zum Glück derzeit einen Krankenpfleger am Start: Paul, Waschbrettbauch, Helfersyndrom.

So was kriegt eine Singlefrau ganz selten geboten ...
So was kriegt eine Singlefrau ganz selten geboten ...Megan Du für die Berliner Zeitung am Wochenende

Ich bin im Fieber. Mal schauen, ob 38,2 Grad gute Geschichten ermöglichen. Eventuell müssen Sie großzügig mit mir sein, man ist blöde und verlangsamt, wenn man krank ist, nicht fiebrig schnell oder fiebrig enthusiastisch. Man schläft und dämmert so durch den Tag. Na ja, das kennen Sie ja, Sie waren wahrscheinlich auch schon mal krank. Zum Glück habe ich derzeit einen Krankenpfleger am Start. Paul, Waschbrettbauch, Helfersyndrom.

Ich liege in seiner Wohnung im Bett, er kocht mir Suppe und schüttelt die Decke auf. Wie er, der alle naselang dreimal kommen muss, das schafft, ohne mich irgendwie zu bedrängen, ist mir nicht ganz klar, aber er ist ja auch erwachsen und wird wissen, wie er klarkommt.

Ich fühle mich wie im Urlaub. Irgendein nicht sehr wohnliches AirBnB. Neben mir eine Salzlampe. Unverständliche schwarz-metallene Männergeräte stehen überall rum, zum Musikmachen oder zum Sportmachen. Es ist eiskalt, sobald man das Bett verlässt. Sibirien. Auf dem Weg zum Klo begegnen einem Bären und Wölfe beziehungsweise sieht man die Spuren im Schnee beziehungsweise ist das vorstellbar angesichts der Temperaturen im Flur. Gibt es Leute, die so reich sind, dass sie nicht nur in ihren Fahrzeugen beheizte Sitze haben, sondern auch in ihren Wohnungen beheizte Klobrillen? Falls ja, pflanzen die sich untereinander fort, oder kann man als Susann Rehlein in den illustren Zirkel aufgenommen werden? Wann immer Paul auf der Toilette ist, stehe ich bereits vor der Tür und stürme, sobald er rauskommt, auf den von seinem mageren Arsch notdürftig beheizten Sitz.

Warum Männer beim Pinkeln sitzen sollen

Ich hab mich schon immer gewundert, warum Frauen so fighten, dass Männer beim Pinkeln sitzen sollen. Haben die den Verstand verloren? Sehen die nicht, dass das komplett übergriffig ist, außer sie sind die Mamis von den Männern? Und eigentlich auch dann. Das geht gar nicht. Aber jetzt haben wir die Antwort: Sie können sich keine beheizte Klobrille leisten, weil sie leider nicht zu den oberen Zehntausend gehören, und müssen deshalb auf das bisschen Restwärme hoffen, die ein Typ auf der Klobrille hinterlassen hat. Steht er beim Pinkeln, bleibt die Klobrille kalt. Gut, das ist jämmerlich Schrägstrich eklig, schließlich geht es um durch Pissen und Scheißen erzeugte Wärme, Biogas für Arme, aber mein Mitgefühl habt ihr, Mädels. Ein kalter Arsch ist ein kalter Arsch. Zumal wenn man krank ist. So was wünscht man keiner. Trotzdem finde ich, ihr solltet das überdenken mit den Aufkleberchen im Bad. Wir sollten andere wie Erwachsene behandeln, selbst wenn sie sich nicht so benehmen.

Megan Du für die Berliner Zeitung am Wochenende

An Tag drei schlucke ich schlimme Chemie, die meine Symptome unterdrückt, obwohl Paul dagegen ist und findet, ich soll mich gesund schlafen. Schlafen kann ich, wenn ich tot bin. Mal ehrlich, ich hab drei Nächte am Stück neben diesem Sexgott verdämmert, Nacht vier und fünf stelle ich mir ein bisschen anders vor. Danach sind seine Kinder wieder bei ihm, und ich muss in meine eigene einsame Wohnung. Fünf Nächte am Stück! Und die Tage dazu! So was kriegt eine Singlefrau wie ich ganz selten angeboten. Wer weiß, ob das noch mal passiert in meinem Leben.

Mit Paul muss man immer Sport machen. Wenn Paul nicht Sex macht, macht er Sport. Und manchmal kann ich einfach keinen Sex mehr sehen, und dann gehe ich mit ihm an die Hantelbank. Nach einer Weile finde ich dann immer, dass Sex mir doch besser gefällt, zumal ich da auf dem Rücken liegen darf und Paul macht, also gehen wir wieder ins Bett.

Mein Körper will gedehnt werden

So schön ich Sixpacks finde, mir ist das zu anstrengend, einen in meinen weichen, zarten Körper zu meißeln. Ich hab mich auf Planks verlegt und trage oft ärmellose, weit ausgeschnittene Tops. Wenn die Leute meine ausgeprägte Brustmuskulatur sehen, denken die, das geht nach unten hin so weiter, und finden mich toll. Guter Trick, was? Reich ich Ihnen gern rüber.

Manchmal verzupfe ich mich irgendwann, während Paul Hanteln und Medizinbälle stemmt und an der Sprossenwand in seinem Flur hängt, und absolviere mein eigenes Programm. 

Mein Körper will gedehnt werden. Mein Körper will tanzen. Mein Körper will berührt werden. Ich heize mir das kleine Schlafzimmer hoch und webe zu sanfter Musik ein bisschen Sexualmagie – umfasse meine Brüste, wuschele mir durchs Haar, liebkose diese herrische Kinnlinie, berühre mit der Zunge meinen Gaumen, meine Lippen, schicke Schauer über meinen Nacken. Bauch, noch mal Brüste, Geschlecht, darin außer G- noch A–F und H–Z andere Punkte, die Stromstöße ins Hirn und in die Füße schicken. Ich tanze und schwelge, liege irgendwann und schwelge weiter. Das ist stiller als Sex mit Partner, sanfter, nicht zielgerichtet, einfach nur ekstatisches Sein. Und natürlich muss Paul, der das schon kennt, irgendwann gucken kommen.

Das ist wie heiße Pizza gegen kalte Pizza

Erst schaut er seltsam andächtig von der Tür aus zu. Dann kommt er näher. Ich nicke, er schlingt die Arme um mich, bettet mich unter sich und nimmt mich entschlossen. Sex, wenn ich wirklich aufgewärmt und bereit bin, ist ganz anders als die normale Zwanzigminutenbegegnung, wie man sie, zumal mit mehr oder weniger Fremden, ja oft bekommt. Das ist wie heiße Pizza gegen kalte Pizza. Kalte Pizza schmeckt auch, aber heiß, wenn die Aromen sich entfalten und der Käse diese samtige Konsistenz hat … unschlagbar!

Inzwischen bereite ich mich auf Sexdates oft vor, indem ich mich selbst eine halbe Stunde lang auf Betriebstemperatur hochtanze, -atme und -streichle. Falls der entsprechende Mann trotzdem Lust auf ein ausgiebiges Gewusel hat, umso besser, aber ich bin nicht darauf angewiesen. Erst in den letzten Jahren ist mir in aller Konsequenz aufgegangen, dass Sex ja nicht unbedingt das Ding zwischen zwei Menschen ist. In erster Linie ist Sex mein Sex, den ich in Besitz nehmen und mit Leben füllen darf. Der andere kommt dann dazu. Das war eine entlastende Erkenntnis, ich muss von den Typen nichts fordern, nichts wollen. Was sie anbieten, meist ist es wenig genug, ist willkommen, aber ich brauche nichts. Trotzdem ist mir Paul mit seinem Helfersyndrom sehr willkommen. Er will sich diese ganzen Punkte in mir drin jetzt mal ansehen und sie ein bisschen berühren. Aber geht es mir wirklich gut genug für Sex? Oh ja.