Stromausfall verhindert das Erscheinen der taz: Von Hektik keine Spur
Was geschieht in einer Zeitung, wenn die Lichter ausgehen? Eine kurze taz-Erinnerung.

Die Streber aus der Kulturredaktion waren natürlich schon fertig. Das jedenfalls meldete taz-Literaturkritiker Dirk Knipphals am Dienstag via Twitter anlässlich eines Stromausfalls, der zum professionellen GAU für die verdienstvolle Tageszeitung taz aus der Friedrichstraße wurde. Das überregionale Blatt aus Berlin konnte wegen eines Strom- und Serverausfalls am Mittwoch nicht erschienen. Erstmals in 43 Jahren ihres Bestehens sei eine Ausgabe der Zeitung ausgefallen, schrieb denn auch Vize-Chefredakteurin Katrin Gottschalk auf der Webseite. Sowohl die gedruckte als auch die E-Paper-Ausgabe sind demnach betroffen. Dirk Knipphals hatte zuvor Screenshots versendet, die dokumentieren, wie die gedruckte Ausgabe ausgesehen hätte. Das Titelbild zeigt den durch den russischen Angriffskrieg inkriminierten Buchstaben Z, der sich zur Titelzeile „Zerrissene Familien“ vervollständigt.
Es ist keineswegs das erste Mal, dass die taz von einem Stromausfall heimgesucht wurde. Ich erinnere mich an die Dämmerung eines Nachmittags in den späten 1990er-Jahren, als plötzlich nichts mehr ging. Die Bildschirme waren dunkel, irgendwer trieb Kerzen auf. Was man so macht, wenn das künstliche Licht erloschen ist und die großen Fenster nicht mehr genügend Tageslicht durchlassen. Wir befanden uns in der oberen Etage der alten taz-Zentrale. Die befand sich damals noch in der Kochstraße, welche später, nicht zuletzt auf Betreiben der taz-Redaktion, in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt wurde.
Ein Moment der Muße
Hektik, Entsetzen? Keine Spur. Als klar geworden war, dass das große Flackern nicht gleich wieder losgehen würde, bildeten sich kleine Erzählgemeinschaften. Aus der Politikredaktion kam Christian Semler vorbei, der von allen bewunderte „elder statesman“ der taz, und verband Überlegen, zu welcher Debatte auch immer, mit Anekdoten von früher. Es gab stets gute Gründe, Semler aufmerksam zuzuhören, meist aber fehlte die Zeit. Artikel mussten geschrieben oder redigiert werden, während Semler, ein Vieldenker und Schnellschreiber, mit allem längst durch war.
Heute betrachte ich die Szene als glücklich-erhabenen taz-Moment, ein paar Minuten angehaltener Zeit, in denen sich die Muße verströmte, um die Welt oder auch nur das zuvor gesehene Theaterstück erklären zu können. Kontemplation, Abschweifung, Ideensuche. All das, aus dem eine kluge Zeitung entstehen kann, schien plötzlich greifbar. Und dann kehrte schnöde der Strom nach Kreuzberg zurück.