Die Idee, alten Wein in neuen Schläuchen anzubieten, ist ein Trick, fast so alt wie die Menschheit. Die Modeindustrie nennt das Phänomen „Retro“, und das Kino spricht dann von der Neuinterpretation eines Klassikers mit modernen Mitteln.
Die Sparte der Klassik, des Balletts oder gar der Oper trifft dies eher selten und wenn, dann ist es zumeist ein wahrer Graus. Auch andersherum ist es oft schwer ertragbar und klingt dann in etwa so wie „The London Symphony Orchestra performs the music of Sting“. Als ob Sting im Original nicht schon ein Albtraum wäre.
Ein schwieriges Unterfangen also, Musik neu zu interpretieren, vom Ballett ganz zu schweigen. Und warum auch? Schließlich bleiben Opern, Theaterstücke, die Bildenden Künste durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte so bekannt, genau weil sie doch außergewöhnlich sind. Neuinterpretationen bergen somit selten einen Mehrwert.
Manchmal jedoch funktioniert die „Modernisierung“ eines Kunstwerks, wie es die Kompanie des schwedischen Choreografen, Tänzers und Produzenten Fredrik Rydman zeigt. Rydman, ehemaliges Mitglied der erfolgreichen Streetdance-Kompanie „Bounce“, hat sich an Peter Tschaikowskis Ballett „Schwanensee“ gewagt und dem „Ballett der Ballette“, das zugegebenermaßen mit Aufführungen etwas überstrapaziert ist, für ein Publikum neu aufgelegt, das man so vielleicht nicht in die Theater bekommen würde. Und das ist ja auch schon mal nicht schlecht.
Meistgelesene Artikel
Und während das Staatsballett nun gerade wieder „Schwanensee“ in der Deutschen Oper zeigt, kommt jetzt „Swan Lake Reloaded“ für ein paar Tage in den Admiralspalast. Frederik Rydmans Show ist eine recht kühne Adaption, seine Tanzvorgaben an sein Ensemble sind eine Mischung aus Street-, Break-, und Modern Dance. Zwar bleibt das klassische Ballett Tschaikowskis Ausgangspunkt für die doch recht verzopfte Geschichte um die Liebe des Prinzen Siegfried zu der in einen Schwan verwandelten Prinzessin Odette, die, je nach Auslegung, ein tragisches oder ein glückliches Ende findet. Doch der Einfluss des HipHop ist nicht zu übersehen.
Rydmans Tänzer sind in ihrer Einheit eine akrobatische Hochleistungsmaschine, die in mitunter brachialer Perfektion über die Bühne donnert, brettert, fegt und rauscht und nur in sehr wenigen Momenten die zärtlichen Zwischentöne, die Sanftheit der ursprünglichen Geschichte zulässt. Dazu trägt auch die Musik bei, die neben den klassischen Elementen hauptsächlich Songs von Acts wie Moneybrother oder Björk verwendet. Ein klassisches Publikum mag dies alles eher verschrecken als anziehen, für alle anderen ist „Swan Lake Reloaded“ ein bunter Spaß. Laut, schnell, zeitgemäß.