Berlin - In eine Ecke seines Wohnraums hängt, etwas versteckt, ein Foto von Hans-Werner Henze. Die Begegnung war ein Schlüsselerlebnis für Andreas Rochholl. Als Assistent des Komponisten entdeckte er die moderne Musik. Mit „Ohrenstrand“ und anderen Projekten seiner „Zeitgenössischen Oper“ will er ihr einen Raum geben. Wir sprachen mit dem Regisseur und Produzenten über sein aktuelles Vorhaben – eine Woche lang moderner Tango im Berliner Hauptbahnhof.
Herr Rochholl, wie sind Sie auf die Idee gekommen eine Musikveranstaltung an einem Ort zu organisieren, der das genaue Gegenteil eines Konzertsaals ist: Laut, wuselig, alle auf der Durchreise. Warum ausgerechnet der Hauptbahnhof?
Von John Cage haben wir gelernt, dass alle Geräusche Teil eines musikalischen Universums sind. Es kommt auf die geistige Haltung an: Empfinde ich die Umwelt als störend oder akzeptiere ich sie und setze mein Geräusch hinzu. Wenn ich mich an einen Strand setze, kann ich den Klang des Meeres auch nicht herausfiltern.
Das ist eine völlig andere Haltung als die des Konzertsaal-Managers, der an seine Besucher Hustenbonbons verteilen lässt, damit das Pianissimo nicht durch ein Räuspern gestört wird.
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Wir haben immer das Pingpong zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischen: Der Form und dem Rausch. Deshalb ist ein Festival mit Musik und mit Tanz auf dem Hauptbahnhof eine Ergänzung zu den überall vorhandenen Orten von Stille und Konzentration. Außerdem bestimme ich selbst, wie weit und wie lange ich mich darauf einlasse. Im Konzertsaal sitze ich fest. Mindestens bis zur Pause. Hier ist es eher wie in einer Ausstellung, wo ich entscheide, wie lange ich vor einem Bild verharre.
Warum ist von ihrem Festival „Ohrenstrand“ mit moderner Musik nur der ursprüngliche Auftakt übrig geblieben – der zeitgenössische Tango?
Der Senat hat vor gut zwei Jahren die Mittel für die Zeitgenössische Oper Berlin gestrichen. Musik an diesem Ort wurde offenbar nicht als förderungsfähig angesehen. Ich wollte aber mein Ziel weiter verfolgen: Kommunikation der Kunst mit der Welt. Der Tango hat unsere Partner im Berliner Hauptbahnhof schon immer am meisten interessiert.