Berlin-Einer von uns hat Angst, anders als die anderen zu sein“, sagt eine junge Frau mit zotteligem Haar, die rücklings auf der Bühne des Theaters Strahl hockt. „Can touch this“, die erste Premiere der Offensive Tanz für junges Publikum, die im Rahmen des Internationalen Tanzfestivals für junges Publikum, Purple, stattfindet, wirkt bereits vor der eigentlichen Aufführung wie eine friedlich verbindende Gegenmaßnahme zu Praktiken sozialer Ausgrenzung: Kuschelig warm und eng aneinandergedrängt warten die Zuschauer im Foyer, um beim Einlass kurz darauf von den Mitwirkenden – natürlich nur sofern gewollt – mit dem High-Five-Handgruß oder Gratisumarmungen begrüßt zu werden.

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Die Frau mit der wilden Frisur heißt Jana Heilmann und ist wie Rebekka E. Böhme, Michael Kaddu, Michel Meloni und Balázs Posgay festes Ensemblemitglied des Theaters Strahl. In Szene gesetzt wird das an Nationalitäten bunt gemischte Quintett von der Performing Group aus NRW. Die 2013 gegründete Gruppe ist in Berliner Kinder- und Jugendtheaterkreisen keine Unbekannte. Mit „Trashedy“, ihrem damals zukunftsweisenden Konsumkritik-Stück etwa, war sie 2015 zuerst auf dem Augenblick-mal-Festival und zwei Jahre später auch bei der Erstausgabe von Purple zu Gast.
Konzept sozialen Miteinanders in Blumenkinder-Manier
„Can touch this“, das am Dienstagabend uraufgeführt wurde, ist unterhaltsam, weil es die sozial, kulturell und familiär geprägten Regeln von Berührung mit viel Leichtigkeit auf die Schippe nimmt. Über die Bühne tollende Primaten verwandeln sich hier in zivilisierte Schöngeister, die mit gebührendem Abstand um einander herumtänzeln, bei der kleinsten Berührung aber sofort in die Peinlichkeitsfalle tappen.
Kultur, und hier scheint die Performing Group insbesondere auch über das eigne widersprüchliche Verhalten zu schmunzeln, ist ganz klar mit „Gos“ und „No Gos“ verbunden. Bei aller Mühelosigkeit in der gekonnten Darstellung komplexer Inhalte sowie großem Gefallen an dem comichaften Inszenierungsstil, der diese Gruppe so besonders und auch für Jugendliche interessant macht, bleibt dennoch eine Kritik: Am Ende des Fünfzigminüters wird in universell gültiger Blumenkinder-Manier ein historisches Konzept sozialen Miteinanders zitiert, das immer herhalten muss, wenn es um die Mission für mehr Toleranz zwischen den Geschlechtern, Kulturen, Nationalitäten und letztendlich den Menschen geht. Ein bisschen mehr Angriffs- statt Versöhnungslust hätte hier durchaus ihren Reiz gehabt.
Can touch this auf dem Purple-Festival bis 24.1., www.purple-tanzfestival.de