Köln-„Tatort“ fühlt der Toleranz unserer Gesellschaft auf den Zahn

Schenk steht im Shitstorm. Unsere Empfehlung für den Sonntagabend.

Berlin-„Tatort“-Kommissare haben so ihre Probleme mit der Generation Smartphone. Nachdem vor zwei Jahren die Dresdener Kollegen von frechen YouTubern permanent gefilmt und im Netz verhöhnt wurden, trifft es diesmal Freddy Schenk (Dietmar Bär). Als er auf einem Schulhof Fragen zum Tod eines erschlagenen Mitschülers stellt, einer Schülerin (Emma Drogunova) hinterherläuft und sie festhält, behauptet die 18-Jährige dreist, er hätte sie an der Brust berührt. Sie filmt den verdutzten Kommissar und stellt das Video online. Ein Shitstorm und ein Disziplinarverfahren folgen – und der Zuschauer fragt sich, ob selbst ein erfahrener Polizist wirklich so machtlos ist wie hier vorgeführt. Kollege Ballauf (Klaus J. Behrendt) dagegen setzt sein Smartphone auf neue Weise ein: Mit einer Dating-App für Schwule ortet er Verdächtige.

Die Polizisten Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär, v.l.). 
Die Polizisten Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär, v.l.). Thomas Kost/dpa

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Der Fall „Kein Mitleid, keine Gnade“ ist so problembetont wie die meisten Kölner „Tatorte“ und fragt danach, wie weit es mit der Toleranz und Akzeptanz von Schwulen im Alltag wirklich ist. Autor Johannes Rotter bringt zwei Vertreter von besonderen Milieus ins Spiel. Robin (Justus Johannsen) ist angehender Fußballprofi und hat sich mit dem erschlagenen Jan entzweit, nachdem der sich geoutet hatte. Der schwule Rettungssanitäter (Karim Günes), der an der Schule Unterricht gibt, dagegen steht unter dem Druck seiner streng muslimischen Familie.

Im Zentrum aber bleibt jene Schülergruppe, die nicht nur wegen des Toten unter Druck steht, sondern auch sozial geteilt ist. Lennart (Moritz Jahn) wohnt in einer Villa, die Putzfrau ist die Mutter seiner Freundin Nadine. Emma Drogunova, Moritz Jahn und Thomas Prenn sind zwar allesamt schon Mitte zwanzig und damit zu alt für angehende Abiturienten, haben aber die Klasse, um die Spannung hochzuhalten. Keine Überraschung ist, dass Schenk den Shitstorm übersteht – doch bis dahin schlägt ihm viel Misstrauen entgegen. Nur Ballauf steht ihm bei, und der erfahrene Buddy darf einen Techniker, der heimlich gegen Schenk hetzt, sogar herzhaft „Arschloch“ nennen.

Tatort:
Kein Mitleid, keine Gnade So, 20.15, ARD