Weiblich, jung, international: die neue Theatertreffen-Leitung
Das Berliner Theatertreffen ist eine Instanz und hat einen festen Kern aus Zehnertableau und Kritikerjury. Darf das so bleiben?

Das Theatertreffen soll künftig von einem internationalen Viererteam geleitet werden, teilen die Berliner Festspiele mit. Sie zitieren den designierten Festspiel-Intendanten Matthias Pees, der sich über internationale Perspektiven auf die deutschsprachige Theaterlandschaft freut. Das Theatertreffen solle, so Pees, „stärker mit dem mittel- und osteuropäischen Raum vernetzt werden, mit dem wir schließlich unsere Stadt- und Staatstheaterstruktur mit festen Ensembles, Repertoirebetrieb und freier Szene teilen und gut vergleichbare Arbeits- und Produktionsbedingungen gemein haben“.
Der Posten ist verantwortungsvoll, braucht aber nicht in erster Linie Kreativität und eigene Perspektiven, denn in der Hauptsache trägt eine Jury die künstlerische Verantwortung für das Festival. Nun kommen also gleich vier Theaterprofis mit hierzulande eher unbekannten Namen, aber mit künstlerischem Gestaltungswillen: die „Artivistin“, Regisseurin, Dramatikerin und Kuratorin Olena Apchel aus der Ukraine, die in Polen geborene und in Berlin aufgewachsene Produktionsleiterin Marta Hewelt, die deutsche Dramaturgin, Kuratorin und Dozentin Carolin Hochleichter sowie die polnische Kulturmanagerin Joanna Nuckowska, 13 Jahre lang Vizeleiterin des Nowy Teatr in Warschau.
Die vier Frauen sollen gleichberechtigt alle Festivalsparten leiten, also auch den Stückemarkt und wer weiß, was noch. Sie werden offiziell im September mit der Arbeit beginnen und sicher die Flexibilität der traditionellen Institution ermessen. Bisher ist wohl noch nichts in Stein gemeißelt. Es ist ja viel denkbar, aber an seine DNS – das Zehnertableau und die Jury – werden sie doch wohl nicht ranwollen?
Das Theatertreffen mag aus der Zeit gefallen sein und wie das deutschsprachige Theater an Bedeutung verloren haben, aber es gibt diesen Markenkern, der schön ordentlich in einer Verfahrensordnung festgelegt ist: Eine siebenköpfige Fachjury sichtet jährlich die Hervorbringungen der deutschen, österreichischen und schweizerischen Theater (wobei diese Hervorbringungen nicht unbedingt deutschsprachig sein müssen) und schlägt die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen zur Einladung vor.
Kein Festival unter vielen
Der Reise- und Sichtungsaufwand für die Juroren ist immens und ohnehin überfordernd, die Erweiterung auf Europa würde innerhalb des Verfahrens nicht funktionieren. Die Jury könnte nicht mehr als Ganze über die Qualität befinden, weil nicht alle Mitglieder alle Sprachen beherrschen. Das Festival verlöre mit einer solchen Erweiterung sein Profil und damit seine Bedeutung, es würde sich einreihen zwischen vielen anderen kuratierten internationalen Festivals.
Abgesehen von den steigenden Kosten, die eine solche Erweiterung verursachen würde, stellt sich dringend die Frage, ob das Festival unter vielen dann überhaupt weiter aus dem Etat der Bundeskulturstiftung gefördert werden soll, die jährlich 1,9 Millionen für das Festival ausgibt. Der aktuelle Bewilligungsturnus reicht noch bis 2024 und muss dann neu verhandelt und verlängert werden. Vielleicht wäre Denkmalschutz keine so schlechte Idee.