Der DT-Schauspieler Reimar Johannes Baur ist im Alter von 95 Jahren gestorben
Reimar J. Baur gehörte seit 1960 zum Ensemble des Deutschen Theaters und spielte in über 70 Filmen mit. Jetzt starb er fast blind in einem Berliner Pflegeheim.

Im Internet kann man eine Aufzeichnung von einem legendären Volksliederabend aus den 1980ern am Deutschen Theater finden. Es wirkt fast wie eine familiäre Zusammenkunft unter anderem mit den großen DT-Stars Jutta Wachowiak, Elsa Grube-Deister, Kurt Böwe und Rolf Ludwig, die da gemeinsam mit dem Publikum einen schönen Abend verbringen, alles durchdacht und gestaltet, aber ohne jegliches Getue – wie schön sind auch die Gesichter derjenigen, die gerade nicht dran sind und einfach zuhören, lächelnd hineinlauschen in die oft einfachen Texte und die geraden Melodien.
Auch der Schauspieler Reimar Johannes Baur sitzt dabei, greift zur Gitarre, zur Mundharmonika, zur Singenden Säge. Oder zu einer zerknitterten Quetschkommode, mit der er sich das Lied vom „Soldatenhimmel“ aus der Brust ringt, als wäre er selbst der Balg, schlapp vom Wacheschieben: „Im Himmel, da leben wir wie die Grafen, da können alle morgens bis zehn Uhr schlafen. Ich sag euch, im Himmel ist’s schön, da braucht man nicht so früh aufzustehen.“ Wie bescheiden die Träume sein können.
Es ist schon fast 40 Jahre her. Grube-Deister, Böwe, Ludwig – sie sind schon alle nicht mehr da, und am Mittwoch ist auch Reimar Johannes Baur gestorben, im Alter von 95 Jahren in einem Berliner Pflegeheim. Er gehörte seit 1960 zu all diesen souveränen und leuchtenden Begabungen mit den legendären Ansprüchen, die das Ensemble des Deutschen Theaters zu dem machten, was es war.
Geboren 1928 in Trier, machte er nach dem Krieg im Defa-Nachwuchsstudio und an der Staatlichen Schauspielschule seine Ausbildung. Seit 1949 stand er auf den Bühnen in Greiz, Cottbus und Karl-Marx-Stadt, es heißt, dass er ein erstes Angebot, ans DT zu kommen, abgelehnt hat und von Wolfgang Langhoff überredet werden musste. Bis zur Rente und länger blieb er am Haus, spielte bei allen bedeutenden Regisseuren, mit allen bedeutenden Kollegen, bis eine Krankheit begann, ihm das Augenlicht zu nehmen. Baur war der Chorführer im legendären „Frieden“ von Hacks, 1962 inszeniert von Benno Besson, und spielte an der Seite von Jürgen Holtz den Mörder Henry Fowles in „Pflichtmandat“ (Regie: Ulrich Engelmann, 1973).
Über 70 Mal wurde er von Film und Fernsehen besetzt, verkörperte zum Beispiel in „Prozess Richard Waverly“ den von seinem Gewissen geplagten Piloten, der die Atombombe auf Hiroshima warf. Nach der Wende spielte er an der Seite von Senta Berger in Frank Beyers „Sie und er“ (1992) und zuletzt, 1997, in dessen Tragikomödie „Der Hauptmann von Köpenick“.
Bereits bei seinem ersten Engagement in Greiz begegnete Baur seiner späteren Frau Annelene Hischer, die ihn als Kollegin über alle Stationen begleitete, bis sie ihm im Sommer 2021 in den Tod vorausging. Ihr gemeinsamer Sohn ist Sebastian Baur, genannt Buzz Dee, der Gitarrist von Knorkator. Er bestätigte der Berliner Zeitung die traurige Nachricht.