Einer, der die Kunst zu DDR-Zeiten ins Mögliche dehnte

Der Theaterregisseur und Brecht-Schüler Friedo Solter starb im Alter von 90 Jahren an der Ostsee. 

Friedo Solter (1932–2023)
Friedo Solter (1932–2023)DT Archiv,

Der Brecht-Schüler, Schauspieler und Theaterregisseur Friedo Solter ist tot. Er starb am Dienstag im Alter von 90 Jahren auf Usedom, wie die Akademie der Künste in Berlin am Freitag unter Berufung auf die Familie mitteilte. Bekannt war er vor allem für seine Arbeiten am Deutschen Theater in Berlin. Der 1932 im heutigen Rzepin, nicht weit von Frankfurt (Oder) geborene Theatermann war Mitglied der Akademie.

Friedo Solter hatte an der Staatlichen Schauspielschule Berlin studiert und wurde danach Regiehospitant bei Bertolt Brecht am Berliner Ensemble. 1955 holte ihn Horst Schönemann ans Theater der Bergarbeiter in Senftenberg. Von 1956 bis 1959 war Solter Ensemblemitglied am Meininger Theater. Dann ging er ans Deutsche Theater Berlin, wo er unterbrochen von Arbeiten fürs DDR-Fernsehen, bis 2001 blieb: als Schauspieler, Dramaturg und Regisseur. Solters wichtige Inszenierungen waren „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth, Klassiker wie „Nathan der Weise“ von Lessing (beide 1966), „Amphitryon“ (1972) von Peter Hacks, „König Lear “(1976) und „Der Sturm“ (1974) von Shakespeare, „Torquato Tasso“ (1975) von Goethe und „Das Leben ein Traum“ von Calderón.

Stücke mit Botschaft in die DDR hinein

Den „Nathan“ legte er 1987 nochmals auf. Der war unvergesslich: Es war damals immer ein Glück, Karten fürs DT zu kriegen, die zunehmend angespannte, unzufriedene Stimmung im Mauerland DDR, die Enge und vormundschaftliche Politik sickerten nicht nur in der Rockmusik durch Texte und Noten. Auch auf Theaterbühnen, gerade im DT, zog sich der Subtext durch die Monologe und Dialoge. Und Solter legte Raffinesse in die Szenen, die nicht zensiert werden mussten.

Unter der Intendanz des 2022 verstorbenen Dieter Mann bekam Solter die nötige Freiheit. Er konnte sogar im Westen arbeiten, inszenierte in den 1980er-Jahren am Schauspiel Bonn oder in Darmstadt. Gastinszenierungen übernahm er später auch am Deutschen Theater in Göttingen, Stadttheater Ingolstadt, Stadttheater Ulm, am Staatstheater Schwerin oder in Meiningen.

Friedo Solter, der uns Ossis damals rein äußerlich immer zu Vergleichen mit dem charismatischen Hollywood-Star Rod Steiger animierte, war ein Mann des Theaters – und der Kunst, der sie auch unter beengenden Bedingung ins Mögliche zu dehnen versuchte. Er hatte sich mit dem Wiener Bildhauer und Kunst-Berserker Alfred Hrdlicka angefreundet und sorgte bei der Ost-Berliner Akademie der Künste für dessen allererste große – und gerade für junge Bildhauer der DDR nachhaltige – Ausstellung, damals im Marstall der Akademie. Und er vermittelte geschickt mit, dass wenig später am gleichen Ort auch die Schau „Beuys vor Beuys“ zustande kommen konnte. Und dies obwohl der Schamane vom Niederrhein mit seiner Auffassung von Freiheit der Kunst, von der „sozialen Skulptur“ und seiner Provokation, ein jeder Mensch sei auch ein Künstler, dem diktatorischen Kulturchef des ZK der SED, Kurt Hager, ein Gräuel war. Vor beiden Ausstellungen standen Besucherschlangen.