„Im Hinterzimmer der Macht“: Was macht die Distel auf der Bundestagstoilette?

Wo werden Absprachen getroffen und Allianzen geschmiedet? Das neue Programm des Politkabaretts Distel begibt sich ins eigentliche Zentrum der Macht.

Das Hinterzimmer der Macht – ein nicht immer stilles Örtchen.
Das Hinterzimmer der Macht – ein nicht immer stilles Örtchen.Chris Gonz

Was sagt Björn Höcke, wenn Alice Weidel probeweise eine Rede vor ihm hält? Genau: „Ich bin ganz Volksempfänger.“ Und was singt er später, wenn sie weg ist und er sich unbeobachtet als Teufel über die AfD hinaus aufplustert? Natürlich „Sympathy for the Devil“ von den Rolling Stones, aber mit anderem Text: „Und wer mich nicht verhindert / hat aus Geschichte nichts gelernt.“ Felix Breitkreuz und Tilman Ritter machen dazu gehörig schmissige Musik.

Dies ist eine zentrale wie beklemmende Szene im neuen Programm des Kabarett-Theaters Distel, das „Im Hinterzimmer der Macht“ heißt und in der Regie von Sebastian Wirnitzer auf kluge und witzige Weise durchs heutige deutsche Politik(un)wesen führt. Gesetze werden nicht im Bundestag entworfen, sondern auf der Bundestagstoilette, lautet die Botschaft, und es soll ja etwas dran sein am Mythos vom stillen Örtchen, an dem jede und jeder einfach Mensch sein und die Hosen runterlassen darf, ohne dass die Medien davon – pardon – gleich Wind bekommen.

„Entscheidend ist, was hinten rauskommt“

Ob Groß, ob Klein, ob Anfänger oder altes Eisen, alle suchen hier mit Arglist und Absprachen ihre Interessen durchzusetzen: Politik als Kuhhandel. Tempolimit, Atomausstieg, Schäubles schwarzer Geldkoffer und Helmut Kohls Rhetorik („Entscheidend ist, was hinten rauskommt“), alles wird mit Schwung und Biss, schwarzem Humor und fröhlichem Tempo zerlegt.

Es gibt im schlimmsten Beamtendeutsch eine besoffene Verbrüderung von Friedrich Merz und Christian Lindner, deren Bürokratensprech auch nach dem fünften Absacker nicht humaner wird. Lobbyisten treiben sich herum und kopulieren als Geldbeuteltiere so schnell miteinander, dass man es kaum sehen kann. Flugs vermehren sie sich – „und schon ist wieder eine neue Scheißidee in der Welt“. Robert Habeck singt, dass er die Herzen der stolzesten Frauen bricht, lümmelt dabei betont basisdemokratisch auf dem Boden und erklärt den Song ähnlich prickelnd wie vor kurzem seine vermurkste Gas-Umlage.

Adrian Engels und Markus Riedinger haben als Autorenduo „Onkel Fisch“ für ihre „schwindelige Bundestags-Revue“ jedoch nicht nur Personen, sondern auch Themen gewählt, wie eine „feministische Nato-Erweiterung“, die natürlich Annalena Baerbock verantwortet, den Handwerkermangel, diversen Amtsschimmelwahn. Das Ensemble mit Caroline Lux, Jens Neutag und Timo Doleys, alternierend mit Stefan Martin Müller, bringt die Probleme höchst amüsant auf die Bühne und die Pointen souverän in den Saal. Natürlich hat Angela Merkel einen Auftritt und lässt mit einem Udo-Jürgens-Medley („16 Jahr’, Angela“) an frühere Zeiten denken. Als Zugabe freilich wird gescholzt, dass die 13 Klodeckel an der Wand wackeln, heiter und so weiter, bis die Ampel ausfällt.

Im Hinterzimmer der Macht. Distel, Friedrichstraße 101, 15.–18.3., 21.–25.3., Tel.: 20 44 704, www.distel.de