Kniffe des Scheiterns: Die Autor:innentheatertage enden mit drei Uraufführungen
Mit der Langen Nacht der Autor:innen geht am Deutschen Theater das Festival für Gegenwartsdramatik zu Ende.

Noch um zwölf Uhr nachts war der Platz vor dem DT voller Menschen: Reden und feiern, was gibt es Besseres für ein Festival! Natürlich auch, zu fragen, warum geht man immer wieder hin? Ganz einfach, antwortet der Autor Philipp Löhle in dem schönen Bändchen „Das Glück, zu sprechen, ohne zu wissen, mit wem“ (Alexander Verlag), das das DT zum 25. Jubiläum seiner Autor:innentheatertage herausbrachte: Weil sich dort virtuos das geballte Nichtkönnen trifft. Das Unperfekte wirklich guter Autoren, Regisseure und zu guter Letzt auch jedes Einzelnen von uns. „Theater kann eigentlich nichts“, so Löhle, wozu noch die Respektlosigkeit treten muss, es dennoch immer und immer wieder zu versuchen. Genau dann entsteht das unendlich Tröstliche seines Tuns: Es zeigt uns im Scheitern uns selbst.
Dass einem zum Finale, der Langen Nacht der Autor:innen, am vergangenen Sonnabend diese Löhle-Gedanken in den Sinn kamen, lag keineswegs daran, dass die drei Uraufführungen so schlecht waren. Vielmehr trieb einen das angestrengte Gefühl des unbedingten Gegenteils dahin zurück. Denn wenn etwas die Stücke charakterisiert, die die Juroren Ferdinand Schmalz, Julischka Eichel und Christiane Rösinger aus 170 Einsendungen für die Bühne auswählten, dann, dass ihr Ehrgeiz in einer besonders kompletten, artifiziellen Formgebung besteht. Nicht neue Geschichten zu finden, unkonventionelle Gedanken zu denken, treibt sie, sondern die Suche nach dem Kniff, das Vielgesagte neu zu fassen.
Dass dramatische Dialoge dabei kaum mehr eine Rolle spielen, ist nicht neu – aber aus den abgezirkelten Textgewinden diesmal auch drei taugliche Bühnenabende zu bilden, die nicht nur Textaufsagen in Frontalstellung bleiben, hat die Regisseure zweifellos Schweiß gekostet.
Am souveränsten konnten sich Jorinde Dröse und Enrico Lübbe dabei durch die Textuhrwerke beißen. Dröse hat das schmerzliche Erinnerungslabyrinth „Das Augenlid ist ein Muskel“ des Schweizers Alexander Stutz, in dem ein junger Mann durch das Aufmucken seines Körpers die Erinnerung an den verdrängten sexuellen Missbrauch seiner Kindheit wiedergewinnt, in ein so ernstes wie befreiend lustiges Verkleidungsspiel gepackt. Getragen von charismatischen Schauspielern (Paul Grill, Hilke Altefrohne, Andreas Leupold und Niklas Wetzel) fließen die Monologe von Mensch, Magen und Matratze so zumindest in Bewegung und Spiel.
Rachefantasien im Theatermilieu
Enrico Lübbe versetzt Raphaela Bardutzkys Zungenbrecher-Sprechstück „Fischer Fritz“ über die letzten Tage eines kranken alten Fischers dagegen geschickt in ein schaurig-groteskes Menschenpuppentheater. Dabei jonglieren drei bubenartige Figuren im Krankenhemd mit den Lebenswegen des sterbenden Alten, seines Sohnes und der polnischen Pflegerin, die für kurz zusammenlaufen und in ihren je eigenen Verlusten, Abzweigungen, Hoffnungen die Bruchstellen der Gegenwart selbst entfalten.
Am entferntesten blieb Christina Tscharyiski ihrer furiosen Vorlage „Judith Shakespeare – Rape and Revange“ von Paula Thielecke, deren innerer Dreh, nicht von Gewalt erzählen zu wollen und doch nur das tun zu können, allerdings auch anspruchsvoll genug war. Die wilde Collage aus feministischen Zitaten und Rachefantasien im Theatermilieu konterkariert Tscharyiski mit harmlosem Freilufttheater-Klamauk. Auch ein Scheitern aber, aus dem mehr spricht.