915 Euro: Exorbitante Steigerung bei der Schauspiel-Mindestgage

Die Künstlergewerkschaften und der Bühnenverein haben sich auf eine Anhebung der Mindestgage geeinigt. Sie kommt auf einen Schlag.

Lisa Jopt, die neue Präsidentin des GDBA
Lisa Jopt, die neue Präsidentin des GDBAAnna Spindelndreier

In der Pressemitteilung der Künstlergewerkschaften GDBA, VdO und BFFS ist die Rede von einem „historischen gemeinsamen Erfolg“, GDBA-Präsidentin Lisa Jopt spricht am Telefon von einem „Hammer“. Die Tarifverhandlungen mit dem Bühnenverein, die sich seit dem Frühling festgefahren zu haben schienen, kamen nun in der vierten Runde zu einem Abschluss. Wenn man sich die Zahlen im Vergleich ansieht, trifft der „Hammer“ den Nagel auf den Kopf: 1991 wurde die Mindestgage für Schauspielerinnen und Schauspieler öffentlich getragener Theater eingeführt. Sie lag damals bei 2400 DM (ca. 1230 Euro) und wurde in den nächsten dreißig Jahren kleckerweise um 770 Euro auf 2000 Euro erhöht. Nach dem neuen Manteltarifvertrag der per Normalvertrag-Bühne-Angestellten (künstlerisches Personal und Ensemblemitglieder) erfolgt im kommenden Jahr eine Erhöhung um 915 Euro.

715 Euro davon kamen zustande, indem man die Erhöhung der Mindestgage proportional an die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns seit 2018 angepasst hat. Der stieg von 8,48 auf 12 Euro, also um etwas mehr als 35 Prozent. Dazu kommt eine Erhöhung um 200 Euro für alle NV-Beschäftigten im dritten Jahr. Das heißt, die Mindestgage ist tatsächlich nur noch für Anfängerinnen und Anfänger gedacht.

Außerdem soll die neue Mindestgage mittels Anpassungsverhandlungen an die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst gekoppelt werden, um diese Dynamik haben die Künstlergewerkschaften seit 30 Jahren gekämpft.

Der Bühnenverein geht damit ein ziemliches Risiko ein, denn ob die steigenden Kosten durch die Rechtsträger aufgefangen werden, ist zweifelhaft. Möglicherweise muss man also Stellen streichen oder am künstlerischen Etat sparen. Und doch ist damit für Lisa Jopt, die sich auch von ihrem fröhlich dazwischen quatschenden fünfmonatigen Töchterchen beim Techtalk nicht aus dem Konzept bringen lässt, das Ende der Fahnenstange nicht erreicht. Die NV-Bühne-Verträge, die das Herzstück des Stadttheatersystems bilden, müssen dringend reformiert werden. „Mit dem Thema Bezahlung haben wir jetzt mal eine dicke Scheibe des Reformpakets abgeschnitten. Wir behalten vor allem die Gagen der Freischaffenden im Blick, als nächstes nehmen wir uns die irren Arbeitszeiten vor und dann die sozial nicht hinnehmbare Praxis der Nichtverlängerung aus künstlerischen Gründen.“

Mit ihren guten Argumenten und der offensiven Öffentlichkeitsarbeit bringt Lisa Jopt, die einstige Mitgründerin und ehemalige Vorsitzende des Ensemble-Netzwerks, mehr als eine neue Farbe an den Verhandlungstisch. Das dort nun auch der Berufsverband Schauspiel (BFFS) mit 4000, darunter vielen prominenten Mitgliedern sitzt, dürfte ihr zu verdanken sein. Sie stresst das deutsche Stadttheatersystem, das nach der Corona-Epidemie ohnehin mit einem Publikumsschwund und einem Relevanzproblem zu kämpfen hat. Es ist gut, wenn man die Krise nicht auf die Buckel der Künstlerinnen und Künstler lädt, sondern sich auf sie als das Herzstück des Theaters besinnt.