Theaterdiscounter: Malte Schlösser und Team befreien sich vom Erfolg

Mit „In:kon:sis:ten:zen“ operiert der Psychotherapeut des Theaters am Widerspruch von Gelingen und Scheitern. Wie wir alle.

Die Bühnenmenschen Emma Rönnebeck, Bettina Grahs und Felician Hohnloser (v.l.) stellen in Malte Schlössers „In:kon:sis:ten:zen“ ihr Tun infrage.
Die Bühnenmenschen Emma Rönnebeck, Bettina Grahs und Felician Hohnloser (v.l.) stellen in Malte Schlössers „In:kon:sis:ten:zen“ ihr Tun infrage.Milena Schlösser

Was passiert eigentlich, wenn die Bühne allein ist?, fragt die Schauspielerin Bettina Grahs ganz am Schluss. Womöglich schweifen Lichter im Rhythmus des Zufalls umher, möchte man spontan antworten. Denn zuvor geschah genau das einen schönen, ausgedehnten Moment lang im TD (wie der Theaterdiscounter jetzt heißt), wo Malte Schlösser am Sonntag sein neues Gegenwartsstück „In:kon:sis:ten:zen“ uraufführte. Wie die Doppelpunkte im Titel unterbrach auf der leeren Spielfläche ein plötzlich umhersuchender Lichtspot jede schnelle Sinneinschweißung und riss damit das munter ironische Denkspiel auf, das der Zwangsgrammatik des Erfolgs auf den Zahn fühlt, während Vivaldis furioser „Winter“ durch das kleine Theater schallte.

Aber was heißt schon „Spiel“ in einer Versuchsanordnung, die jedem sich aufdrängenden Muster ein sattes „break“ entgegenhält? Bettina Grahs, Emma Rönnebeck und Felician Hohnloser jedenfalls überzeugen auf der Bühne vor allem mit ihren Nummern als immer wieder auftretende, stumm dastehende und wieder abtretende Bühnenmenschen, die zwischendurch mal freundliche Handküsse ins Publikum werfen, doch schnell auch wieder ins stumme Gegenteil umschlagen. Nicht nur die Pausen, auch der Selbstwiderspruch ist tragende Säule dieses Reflexionsabends aus Slapstick-, Vortrags- und Parodiehappen, der das kleine Kunststück vollbringt: zu gelingen und deshalb auch zu scheitern.

Die Zwangsgrammatik des Erfolgs

Denn eines will das Stück auf keinen Fall: ein weiterer Baustein in einem Spielplan für eine aufgeweckte junge Hauptstadtcommunity sein, die sich abends an (selbst-)kritischer Krisenkunst ergötzt und tagsüber ungebrochen weiterschneidert an den eigenen und gesellschaftlichen „Erfolgsmythen“. Seit vielen Jahren schon bohrt Malte Schlösser, der Psychotherapeut unter den Theatermachern, an diesen fatalen gesellschaftlichen „Zwangsgrammatiken“, die nur auf die Sphäre der Zugehörigkeit und des Erfolgs geeicht sind und damit mehr Fiktion in die Wirklichkeit schleusen, als Theater es je könnten.

Das alte Spiel mit der Vierten Wand, die längst als abgerissen galt, bekommt deshalb auch hier noch mal seinen großen Auftritt. Denn auch an diesem Abend, der sich so sportlich wie geistreich um alles dreht und wendet, an dem auf Bananen ausgerutscht wird, extremes Körpertheater à la Holzinger und theatralischer Diskurssprech à la Pollesch parodiert werden und trotzdem die schönsten Erkenntnisse über die eigenen Dilemmata aufblühen, kommen das Theater und seine Darsteller nicht aus ihrer Haut. Sie müssen spielen, auf Erfolg hoffen und trotzdem immer auf der Gegenspur bleiben. Ehrlich inkonsistent eben, wie wir alle.

In:kon:sis:ten:zen. 9.–11. Februar, 20 Uhr im TD (Theaterdiscounter), Karten und Informationen unter Tel.: 28093062 oder td.berlin.