Theo Koll oder Patricia Schlesinger? RBB wählt neuen Intendanten
Wenn sich am Donnerstag die beiden verbliebenen Intendanten-Kandidaten, Patricia Schlesinger vom NDR und Theo Koll vom ZDF, dem Rundfunkrat des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) zur Wahl stellen, dann müssen sie nicht nur die üblichen Qualifikationen für solch einen Posten vorweisen, etwa Erfahrungen im Management, in der Personalführung und im Umgang mit öffentlich-rechtlichen Gremien. Als besondere Anforderung hat die eingesetzte „Findungskommission“ die Entwicklung „medialer Visionen“ herausgestellt. Eine solche Vision hatte die bisherige Spitze der Zweiländeranstalt unter Führung der scheidenden Intendantin Dagmar Reim nach Ansicht der Rundfunkräte offenbar vermissen lassen.
Dabei hatte sich der RBB noch 2009 als Vorreiter gesehen. Als erster ARD-Sender führte er das Fernsehen, die Radioprogramme sowie die Online-Angebote in einer multimedialen Programmredaktion zusammen. Die vormalige Fernsehdirektorin Claudia Nothelle wurde Programmdirektorin aller drei Sparten, ihr Vertrag wurde 2013 vom Rundfunkrat für weitere fünf Jahre bis 2019 verlängert. Damals lobte die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach die „Pionierarbeit“ der „kompetenten wie kreativen Programmdirektorin“. Doch Nothelles Bewerbung um die Nachfolge von Intendantin Dagmar Reim, die aus privaten Gründen vorzeitig zum 30. Juni ausscheidet, blieb ebenso erfolglos wie alle weiteren Bewerbungen aus dem RBB. Die „Findungskommission“ des Rundfunkrats beließ keine einzige der 28 Bewerbungen im Rennen, sondern suchte weitere Kandidaten und fand schließlich drei erfahrene Fernsehmacher. ARD-Programmdirektor Volker Herres stieg Ende letzter Woche wieder aus. Nun stellen sich mit Patricia Schlesinger und Theo Koll noch zwei Kandidaten.
Im Fernsehen in der letzten Reihe
Egal, welche Vision ihnen für den RBB vorschwebt – mehr Geld gibt es dafür nicht. Zwar hat der Sender seit der Umstellung auf die „Haushaltsabgabe“ deutlich mehr Einnahmen. Doch das Plus fließt nicht etwa ins Programm. Für die Altersvorsorge muss der Sender einen ständig wachsenden Betrag einplanen: Wurden früher knapp 20 Millionen Euro vorgesehen, so sind es inzwischen schon über 67 Millionen Euro.
Im Radio stimmen die Bilanzen. Hier stellt der RBB mit Antenne Brandenburg seit Jahren den Spitzenreiter der Region. Auch die anderen fünf Radiosender des RBB, übernommen von den Vorläufern SFB und ORB, hielten ihre Stellung im Radiomarkt. Hier kann der RBB sein Angebot, differenziert nach Alter, Interesse und Region, also erfolgreich verbreiten. Anders sieht es im Fernsehen aus. Hier ist der RBB nur in jener halben Stunde erfolgreich, in der er sein Programm regional auseinanderschaltet: Die „Abendschau“ für Berlin lag 2015 mit durchschnittlich 290 000 Zuschauern und knapp 27 Prozent Marktanteil auf Platz zwei aller Regionalnachrichten der Dritten-ARD-Programme. „Brandenburg aktuell“ steigerte sich auf 210 000 Zuschauer und 21 Prozent Marktanteil. Doch außerhalb des Zeitfensters zwischen 19.30 und 20 Uhr sind die Quoten mau. Mit 6,3 Prozent Markanteil lag der RBB 2015 auf dem letzten Platz aller ARD-Regionalprogramme, 2016 sind es gar 5,7 Prozent.
Jugendkanal nur für das Internet
Nun ist die Zuschauerschar in einem Sendegebiet mit der einst geteilten Hauptstadt und einem sehr ländlichen Raum ringsherum so heterogen wie sonst nirgendwo in Deutschland. Die Fernsehmacher müssen immer wieder feststellen, dass ihre Sendungen bei den West-Berlinern, den Ost-Berlinern, den Brandenburgern und auch der Gruppe der Zugezogenen unterschiedlich stark eingeschaltet werden. Doch das Fernsehprogramm noch länger auseinanderzuschalten, ist nicht Auftrag des RBB, der ja den Zusammenhalt der Region fördern soll. Ebenso wenig wird die neue Intendanz etwas gegen den Altersschnitt tun können: Der liegt bei allen Dritten ARD-Programmen jenseits der 60. Ein Magazin über die hippe Elektro-Pop-Szene in Berlin könnte dem Sender zwar einen Coolness-Faktor bescheren, würde die Quoten aber zuverlässig unter die Messbarkeitsgrenze drücken.
Einige Male sind Anläufe gemacht worden, junge Moderatoren aus dem Radio, etwa den quirligen Chris Guse, ins RBB-Fernsehen zu holen – es blieb mangels Erfolg bei Ansätzen. Selbst ARD und ZDF haben es inzwischen aufgegeben, junge Zuschauer zwischen 14 und 25 ins Fernsehen zu holen – der geplante Jugendkanal wird ausschließlich fürs Netz konzipiert. Doch hier ist beim RBB noch nicht allzu viel passiert. Eine Webdoku wie „Ein Stück Heimat“ über die vergebliche Wohnungssuche in Kreuzberg ist eine Ausnahme.
Doch auch das Fernsehprogramm kann dringend frische Ideen gebrauchen. Gut aufgestellt ist der Sender mit seinen Dokus, die regelmäßig mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet werden, und mit Land-und-Leute-Serien wie „Ein Sommer in Brandenburg“ oder den Touren von Michael Kessler, die ihr Publikum erreichen. Doch statt Ranking-Shows à la „Die 30 putzigsten Ponyhöfe der Prignitz“ könnte etwa die Comedy- und Kleinkunstszene durchaus stärker das Programm prägen. Seit Jahren soll die witzige Theater-Serie „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ ins Fernsehen kommen – in diesem Jahr soll es endlich so weit sein.