Till Brönner: Gebügelt wird nicht

Mit der Arbeit aktueller Filmkomponisten in Hollywood kann der Berliner Jazz-Trompeter Till Brönner meist nicht viel anfangen: „Am Ende hat man oft das Gefühl, das war alles ziemlich laut. Aber kann ich jetzt irgendwas davon pfeifen? Oder hat mich irgendein Song berührt?“ Mit dem Thema Filmmusik beschäftigte sich Brönner gerade so eingehend, dass dabei ein ganzes Album entstanden ist. Auf „The Movie Album“ interpretiert er mit seiner Trompete Melodien aus Filmen, die sich in sein Gedächtnis „eingestanzt“ haben, wie er sagt. Darunter sind große Hits der Filmmusik wie „Stand By Me“, „Il Postino“, „Moon River“ und der Schmachtfetzen „My Heart Will Go On“ aus „Titanic“, bei dem er die Stimme von Céline Dion durch sein Blechblasinstrument ersetzt hat. Den Hit „Raindrops Keep Falling On My Head“ spielt der 43-Jährige nicht nur auf seiner Trompete, er singt ihn auch.

Bedenkenträger melden sich

So einen Ausflug in den Gesang hatte der Trompeter sich schon mal auf seinem Album „That Summer“ getraut, auf dem er das Lied „Bein’ Green“ brachte, das man von Kermit, dem Muppetshow-Frosch kennt. Der Wechsel zwischen Trompete und Gesang ist technisch anspruchsvoll: „Beim Trompetespielen müssen die Stimmbänder ausgeschaltet werden, damit sie dem Luftstrom nicht in die Quere kommen.“ Das war allerdings nicht das Hauptproblem. Wenn ein bekannter Jazz-Instrumentalist wie Brönner plötzlich singt, melden sich natürlich sofort die Bedenkenträger.

Der Künstler machte die Erfahrung, dass kaum etwas so sehr spaltet, wie sein Gesang: „Es gibt da zwei Sorten von Reaktionen: ‚Das musst du machen!‘ Oder: ‚Nie wieder!‘“ Brönner lässt sich vom Gegenwind nicht abschrecken. Er denkt darüber nach und zieht seine Konsequenzen: „Man muss in der besten Verfassung sein, um sich darüber hinwegzusetzen. Und sich den richtigen Song dafür rauspicken.“ Wer live hören will, wie das klingt, hat bei seinem Konzert am 25. Januar im Tempodrom dazu Gelegenheit.

Auf dem neuen Brönner-Album ist als Gesangsgast Gregory Porter zu hören, den der Jazzer auch bei einem anderen Projekt verewigt hat. Unter dem Titel „Faces of Talent“ erschienen nämlich gerade die Porträtfotografien, die Till Brönner seit Jahren mit seiner kleinen Leica aufnimmt, in Buchform.

Neben Gregory Porter kamen ihm dabei Musik- und Filmgrößen wie Armin Mueller-Stahl, Beth Ditto, David Guetta und David Kross vor die Linse. Entstanden ist ein gewichtiges Werk von fast drei Kilogramm, in dem man sich stundenlang blätternd verlieren kann. Und dessen Preis von 98 Euro gleich viel weniger schreckt, wenn man weiß, dass eine limitierte Auflage mit einem beigelegten Abzug von Mueller-Stahl 2000 Euro kostet. Brönner findet das völlig in Ordnung: „Dinge, die mit Liebe und Handarbeit gemacht sind, müssen auch was kosten. Was nichts kostet, ist auch nichts wert.“ Er verspricht dafür ehrlichere Fotos als man sie sonst von Stars zu sehen bekommt.

Den „Bügelwahn“, wie er ihn nennt, macht er nicht mit. Menschen sehen bei Brönner im Gesicht aus wie Menschen und nicht wie polierte Marmorskulpturen. Wobei er manchmal aber doch ein wenig nachbearbeitet, damit ein Pickel nicht die Gesamtansicht stört: „Wenn ich was sehe, was übermorgen wieder weg ist, muss ich das nicht abbilden.“ Dresden ist für Till Brönner seit Jahren ein ganz besonderer Ort. Das ist nämlich die einzige Stadt auf der Welt, wo er als „Herr Professor“ angesprochen wird. Das kann ihm höchstens noch in einem Wiener Kaffeehaus passieren, wo es allerdings Schmäh wäre.

In Dresden ist Brönner, der an der dortigen Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ unterrichtet, tatsächlich Professor. Nach einer Pause, in der er sich auf andere berufliche Projekte konzentrierte, wird er demnächst zu seinen Studenten zurückkehren. Für einen Hochschullehrer, das musste er lernen, steht nicht die Musik im Vordergrund der Arbeit: „Da muss man sich vor allem um das Fortkommen von Individuen kümmern.“

Album in Hollywood produziert

Bedingt durch seinen Beruf ist Till Brönner viel unterwegs. Auch sein aktuelles Album wurde nicht in Berlin produziert, sondern im legendären Eastwest-Studio auf dem Sunset Boulevard in Hollywood, wo schon Frank Sinatra seinen Hit „My Way“ aufnahm. Brönner ist inzwischen sehr versiert darin, sich innerhalb von wenigen Minuten in fast jedem Hotelzimmer heimisch zu fühlen: „Ich packe meinen Rechner aus, suche den richtigen Ort für meine Trompete und stecke mein transportables Didgeridoo zusammen, mit dem ich meine Mundpartie entspanne.“ Das besteht aus PVC-Abflussrohren aus dem Baumarkt: „Die wiegen fast nichts, das kann ich also überall hin mitnehmen.“

Nachdem er die Hotels der Welt kennengelernt hat, steht für Brönner inzwischen fest: „Ein gutes Hotel unterscheidet sich – völlig unabhängig von der Sternekategorie – von einem schlechten durch die Zeit, die man braucht, um im Zimmer die Steuerung von Licht- und Klimaanlage zu begreifen.“