Tim Otto Roths Lichtinstallation: In der St.-Elisabeth-Kirche trifft Kunst auf Wissenschaft

Liegend erlebte die geschichtsträchtige, einst von Schinkel entworfene St.-Elisabeth-Kirche ihre Besucher noch nie. Da es immer ein erstes Mal gibt, gewöhnt man sich gern an den Anblick. Und der ist durchaus packend. Zudem wurden auf dem harten Kirchenfußboden vorsorglich Kissen bereitgelegt. Wir tauchen ein in die faszinierend fremde Welt der Neutrinos. Die wurden 2013 erstmals nachgewiesen, vom Antarktis-Observatorium IceCube. Und unlängst, im Juli, gab es Schlagzeilen: Einer internationalen Forschergruppe war es gelungen, das Umfeld eines supermassereichen Schwarzen Lochs im Sternbild Orion als Quelle kosmischer Neutrinos zu identifizieren.

Aus dem Wissenschafts-Latein wird in St. Elisabeth meditative Kunst. Veranstalter ist Desy, das Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft, vertreten durch den Astro-Wissenschaftler Christian Spiering. Akteur der Installation „AIS 3 “ ist Tim Otto Roth, Konzeptkünstler, Komponist und Wissenschaftler aus dem Schwarzwald. Der 44-Jährige befasst sich seit Jahren mit der Entwicklung eines physikalischen Ansatzes, basierend auf Lichterscheinungen in der Natur.

Geisterteilchen aus dem Kosmos

Von der Decke des Kirchenschiffes baumeln 37 Kabelstränge, daran, wie Beerenfrüchte am Strauch, 444 Augäpfeln gleichende (Lautsprecher)Kugeln, farbig und rhythmisch aufleuchtend und mit schwarzen Membranen versehen. Die wirken wie Pupillen, schauen den Eintretenden gleichsam unverwandt an. Die herausdringenden Geräusche verdichten sich zu einer Kulisse, einem vibrierenden melodischen Sound, irres Rauschen, anbrandend wie das Meer, peitschend und heulend wie Sturm, klirrend, knirschend, brechend wie Eis. Und rätselhaft sphärisch wie das Universum.

Das Experiment ist mit dem, von der Klimaveränderung durch den Menschen bedrohten, sechsten Kontinent, der Antarktis, verbunden. Die Licht-Klang-Installation vollzieht in Echtzeit Signale kosmischer Teilchen nach, die am Südpol von einer wissenschaftlichen Labor-Station registriert werden. Das Neutrino-Observatorium IceCube ist der Impuls-Lieferant, und der Aufprall von Astropartikeln kommt, mitten in Berlin, als Klang-Wunder an: Geisterteilchen, die uns Informationen über den Kosmos mitteilen. Etwas, das größer ist als unser oft kleinliches Sinnen und Trachten.

St. Elisabeth, Invalidenstr. 3, bis 16 . September, Mo–Fr 15–21/ Sa/So 12–21 Uhr. Vorträge zu Körper und Physik am 30.8., 19 Uhr, 2.9., 17 Uhr, 12.9., 19 Uhr. Symposium am 14./15. 9. Infos: www.imachination.net/ais3