Totgetwittert? Wie falsche Meldungen gemacht werden
Twitter ist ein Portal für alles Mögliche, aber kein seriöser Nachrichtenkanal, wie die Todes-Meldungen zu Schriftstellern zeigen.

Herta Müller gehe es gut. Sie putze gerade ihre Schuhe auf dem Balkon, teilt Jo Lendle, der Chef des Carl-Hanser-Verlags, auf Twitter mit. Warum er so etwas schreibt? Er sah sich zur Richtigstellung genötigt, nachdem am frühen Montagnachmittag eine Meldung die Runde machte, die Literatur-Nobelpreisträgerin sei gestorben. Inzwischen existiert der Account @HanserVerlag, von dem die Meldung kam, nicht mehr. Die richtige Twitter-Adresse des Hauses, das Herta Müllers Bücher publiziert, lautet @hanserliteratur.
Es ist nicht das erste Mal, dass solche falschen Nachrichten verbreitet werden, fake news in der eigentlichen Bedeutung des Begriffs. Noch funktioniert der Trick, noch lösen sie in den Redaktionen, die für Nachrichten zuständig sind, hektische Betriebsamkeit aus: Wer schreibt den Nachruf? Wie schnell kann er kommen? Haben wir ein aktuelles Bild? Bei den Lesern bewirken solche Tweets kurze, jedoch unnötige Trauer, ein Wechselbad der Gefühle: Tot oder nicht tot, das ist eine schwerwiegende Frage.
Auf diese Weise nachrichtlich ums Leben gebracht wurden bereits Orhan Pamuk, Milan Kundera, Hans Magnus Enzensberger und Peter Handke. Totgesagte leben länger, sagt man gern bildlich für Dinge, Firmen oder Vereine, die als abgeschrieben gelten. Die rappeln sich dann wieder auf. „Totgetwitterte Schriftsteller leben länger“ klingt zwar scheußlich, doch wäre es all jenen nur zu wünschen, mit denen sich ein aufmerksamkeitsheischender Multimediatüftler seine schwarzen Scherze erlaubt.
Der Blogger Felix Neumann hat nach der falschen Todesmeldung für Peter Handke zusammengetragen, woran man solche Tweets erkennen kann. Er entdeckte dahinter einen sich selbst als Meisterfälscher anpreisenden Italiener. Man solle das Foto des Accounts, die Follower und die Orthografie des Textes prüfen.
Dabei hilft auch der gesunde Menschenverstand: Glaube nicht alles, was getwittert wird. Sicher, das Medium hat sich oft als hilfreich erwiesen, um auf Themen aufmerksam zu machen. Es macht auch Spaß, dort Alltägliches originell zu verbreiten oder verbreitet zu finden. Doch ist Twitter zwar ein Mitteilungskanal, aber keine Nachrichtenagentur – kein Journalismus. Bevor Redakteure von dpa, AFP oder Reuters eine Todesmeldung verbreiten, lassen die sie sich aus sicherer Quelle bestätigen.