Junge Hunde erschlägt man

Die „True History of the Kelly Gang“ von Justin Kurzel erzählt die Geschichte eines australischen Robin Hood.

<a href="http://www.filmstarts.de/kritiken/259726.html">Russel Crow in "Outlaws - Die wahre Geschichte der Kelly Gang</a>".<br>
Russel Crow in "Outlaws - Die wahre Geschichte der Kelly Gang".
Koch Films

Berlin-Wellblechhütten, Betonbunker, Tätowierungen und Piercings, Kleidung, die nicht so recht ins historische Setting passen mag und eine Musik, die zwischen Punk und Techno einen eindeutig modernen Ton anschlägt. Eigentlich ist die Handlung von „True History of the Kelly Gang“ im späten 19. Jahrhundert angesiedelt, aber als Historienfilm will sich Justin Kurzels Adaption des gleichnamigen, im Jahr 2000 erschienenen Romans von Peter Carey nicht sehen lassen. Das beginnt schon mit dem Reiter im roten Kleid, der auf einem Schimmel durch eine verwüstete Landschaft galoppiert, aus der nur noch die Ruinen verbrannter Bäume ragen. Diese erste, aus der Vogelperspektive gefilmte Einstellung - es ist ein unklares Bild von eigenwilliger Schönheit - etabliert die Stimmung zwischen Albtraum und Delirium, die einen Film prägt, der hinter den historischen Fakten nach einer inneren Wahrheit sucht.

Ned Kelly war einer der berühmtesten Bushranger - wie man die Outlaws, die Gesetzlosen in Australien zu nennen pflegte -, und er war einer der letzten. Am 11. November 1880 wurde er, 25-jährig, in Melbourne gehenkt; nachdem er zuvor die Obrigkeit herausgefordert, die Polizei an der Nase herumgeführt und die Erniedrigten und Beleidigten begeistert hatte. Kelly, ein Nachkomme irischer Katholiken, die als Strafgefangene nach Australien verschifft worden waren, war als 15-Jähriger wegen Pferdediebstahls zu drei Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Auf seine Entlassung folgte ein kurzes Leben als Wegelagerer, Bandit und Aufrührer, der den Herrschenden gefährlich wurde. Fürchteten die doch den Aufstand, den anzuzetteln er sich anschickte. Ein Jahr vor seinem Tod verfasste Kelly den 56-seitigen sogenannten Jerilderie-Brief, in dem er Korruption und Machtmissbrauch der Polizei vor allem gegenüber der armen Landbevölkerung anprangerte. Doch es dürfte vor allem seine Selbstdarstellung als ein eigenständig handelndes Subjekt der Geschichte gewesen sein, die zu der gnadenlosen Hetzjagd führte, der er und seine Gang schließlich zum Opfer fielen.

Die Figur des Ned Kelly steht mit einem Bein auf dem Gebiet der Mythen, dort, wo auch Robin Hood und Billy the Kid zu finden sind. Idealisierte, dunkel romantische Helden, die den Reichen nehmen, um den Armen zu geben, und die sich wehren gegen die Willkürherrschaft der Mächtigen. Es ist ein vielfach verfilmter Stoff, ja, es gelten sogar die aus dem Jahr 1906 erhaltenen, etwa 17 Minuten Material von „Die Geschichte der Kelly-Bande“ als der erste Langfilm der Filmgeschichte; sie finden sich auf der Liste des Weltdokumentenerbes der Unesco. Kurzel fügt der Legende nun ein Kapitel hinzu, das von deren popkultureller Wirksamkeit zeugt. Eine unbotmäßige Fantasterei, die sich an keine Regeln hält und die daher etwas einfängt von jenen wilden und freien und von Beginn an verwundeten Leben Ned Kellys und seiner Gang.

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True History of the Kelly Gang Australien 2019, Regie: Justin Kurzel, 125 min, ca. 13 Euro