TV-Kritik 37 Grad: Der Traum von der Superkarriere

Seit über zehn Jahren bestimmen die Casting-Shows weite Strecken des Fernsehprogramms, und schon seit einiger Zeit wird darüber diskutiert, inwieweit die vorgeführten Formen des Wettbewerbs, der Selbstpräsentation und der gnadenlosen Auslese die zuschauenden Jugendlichen prägen. Der Begriff der „Generation Casting“ ist also gar nicht so anmaßend wie so viele andere „Generations“-Erfindungen, die die Medien alle Jahre wieder ausrufen. Nun will sich auch die 37-Grad-Reportage diesem Thema widmen. Doch der Beitrag „Der Traum vom Superstar“ erfüllt nicht mal im Ansatz den Anspruch, Gemeinsamkeiten einer ganzen Generation finden zu wollen, sondern blickt aus einer sehr eingeschränkten Perspektive auf das Phänomen.

Autor Tim Gorbauch hat einfach drei junge Sänger zwischen 17 und 23 begleitet, die mal in einer Casting-Show recht erfolgreich waren. Am ehesten passt noch Lisa Bund zur „Generation Casting“. Die 23-Jährige hatte sich 2007 nach vielen vergeblichen Anläufen bei „Popstars“ „Star Search“ und Co bei „Deutschland sucht den Superstar“ bis ins Halbfinale vorgekämpft. Doch nach der ersten Single brach die Karriere – wie bei den meisten Kandidaten – schnell wieder ab, Lisa Bund arbeitet heute im Mainzer Modeladen ihrer Mutter.

Das Gegenbeispiel ist der gleichaltrige Max Giesinger, der schon vor seinen Auftritten bei „The Voice Of Germany“ jahrelang mit seiner Gitarre auf Bühnen gestanden hatte und sich bis heute fragt, ob die Teilnahme an einer Casting-Show überhaupt richtig für seinen Weg gewesen war. Er schafft es zumindest, ganz ohne mächtige Produzenten wie Dieter Bohlen den Schub der Show zu nutzen. Beim „spontanen“ Straßenauftritt, angekündigt auf Facebook, kommen 300 Mädchen, beim Konzert mit der Band jubeln sogar über tausend Fans, ein Album mit eigenen Songs ist in Arbeit.

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Dass auch das ZDF nicht von oben herab auf die Casting-Shows blickt, sondern selbst munter mitmischt, zeigt das dritte Porträt: Hier begleitet Autor Tim Gorbauch die 17-jährige Maram El Dsoki auf ihrem Weg ins Finale von „Dein Song“, eine Show, die das ZDF für den Kika produzierte. Kritische Nachfragen zum Prozedere der Casting-Shows stellt der 37-Grad-Film nicht. Die Kandidaten berichten nur immer wieder von den tollen Erfahrungen, aber nicht etwa davon, welchen Einfluss sie auf ihre TV-Auftritte überhaupt hatten. So zeigt der „Traum vom Superstar“ nur drei nette Kurzporträts dreier netter junger Leute, wie sie jedes Boulevardmagazin von RTL bis ZDF bringen könnte.