Joe Chialo bei Lanz: „Deutschland muss eigene Interessen in Afrika definieren“

Überraschung: Bei „Markus Lanz“ fand ein ernstes Gespräch über unsere Zukunft mit Afrika statt. Mit dabei war der designierte Berliner Kultursenator Joe Chialo.

Kein einziges Wort über Berlin: Bei „Markus Lanz“ diskutierte Joe Chialo über Afrika.
Kein einziges Wort über Berlin: Bei „Markus Lanz“ diskutierte Joe Chialo über Afrika.Volkmar Otto

In einer Schlüsselszene der ARD-Serie „Unsere wunderbaren Jahre“ wohnen die Zuschauer der Enthüllung bei, dass der Gutsherr und Alt-Nazi des Ortes illegale Waffen nach Afrika liefert und dabei gleich beide Konfliktparteien versorgt. Um Chancengleichheit herzustellen, wie er zynisch sagt.

Die Klischeedichte ist hoch, auf dem „schwarzen Kontinent“ toben Bürgerkriege, die massenhaft Fluchtbewegungen auslösen. Bis heute verdecken die Vorstellungen von Korruption und dürftigen Lebensverhältnissen die gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamik, die viele afrikanische Staaten in den vergangenen 30 Jahren zu wichtigen Playern der Weltpolitik gemacht haben.

Der Kampf um afrikanische Bodenschätze

Der Kampf um afrikanische BodenschätzeDer Kampf um Bodenschätze und strategische Allianzen hat lange vor Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine begonnen. Die Verblüffung der westlichen Welt darüber, dass viele afrikanische Staaten nicht an ihrer Seite stehen, zeugt von einem anhaltenden Paternalismus, den der Musikmanager und designierte Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) nicht zuletzt in der bisherigen Form der sogenannten Entwicklungshilfe verankert sieht.

Zusammen mit der Afrika-Forscherin Melanie Müller von der Stiftung für Wissenschaft und Politik war Chialo am Mittwoch zu später Stunde bei Markus Lanz eingeladen, um sich mit dem Moderator über den Kontinent und seine sträflich oft nicht weiter differenzierte Staatenwelt auszutauschen. Allein diese Konstellation war ungewöhnlich, denn es ging weniger darum, mit Argumenten aufeinander loszugehen, als vielmehr die landläufigen Vorstellungen über Südafrika, Ghana, Nigeria, Niger, Senegal etc. zu erweitern.

Chialo für Investition statt Hilfe

Früher als andere haben China und Russland, aber auch die Türkei, erkannt, dass nicht allein Bodenschätze zu gewinnen, sondern auch wichtige strategische Allianzen zu knüpfen sind. Gerade jedoch, so die von Lanz in den Raum gestellte Ausgangsthese, gehe ein Fenster auf, um der russisch-chinesischen Vorherrschaft etwas entgegenzusetzen. Das Selbstbewusstsein sei gewachsen, wovon Freihandelsabkommen und eine anhaltend positive Wirtschaftsdynamik zeugen.

Anstatt weiter Werte zu exportieren, so Chialo, solle es für Deutschland nun darauf ankommen, klar die eigenen Interessen zu definieren. Wie der französische Präsident Emmanuel Macron vertritt Chialo die Auffassung, dass von der bisherigen Hilfslosigkeit, aus der afrikanische Länder als Almosenempfänger gesehen werden, auf eine Investitionslogik umgestellt werden müsse. Deutschland müsse, fügte Markus Lanz mehrfach an, eine gewisse China-Müdigkeit zu nutzen wissen.

Afrika-Expertin fordert feministische Außenpolitik

Anstelle der Geschäfte aus dem bloßen Abbau von Bodenschätzen, seien einige afrikanische Staaten dazu übergegangen, die Weiterverarbeitung und Raffinerie nun selbst zu betreiben. Den von Chialo behaupteten Widerspruch zwischen Werten und Interessen mochte Melanie Müller nicht gelten lassen. Gerade in Bezug auf Länder etwa der Subsahara seien die Prinzipien einer feministischen Außenpolitik hilfreich, um insbesondere Frauen in die Lage zu versetzen, zu wichtigen Akteurinnen eines gesellschaftlichen Aufbruchs werden zu lassen.

Das viel geschmähte Streitformat Talkshow erfuhr an diesem Abend – wohl auch, weil es erst nach den Berichten über die Fußball-Champions-League zur Austragung kam – eine erstaunlich sachlich-informative Ausgabe. Dass kein einziges Wort über Joe Chialos künftige Rolle in der Berliner Politik verloren wurde, spricht für die Ernsthaftigkeit des Gesprächs. Ganz nebenbei war unschwer zu erkennen, dass Chialo sich über die Berliner Landespolitik hinaus als Glücksfall für die Politik erweisen könnte.