TV-Kritik zu „Günther Jauch“: „Wir waren niemals eine Wertegemeinschaft“

Berlin - Es hat wohl noch kein Thema gegeben, das so alptraumhaft auch auf den deutschen Talkshows lastete wie die Flüchtlingskrise. Während sich Günther Jauch in der vorigen Woche den Folgen für die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland widmete und dem Rechtsaußen-AfD-Funktionär Björn Höcke eine Bühne bot, wendete er diesmal den Blick nach außen – auf Europa. Der Blick war ähnlich verheerend.

Darüber, was eigentlich geschehen müsste, gab es rasch Konsens. So wies Melissa Fleming, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, auf die miserable Situation in den Flüchtlingslagern der Anrainerstaaten zu Syrien hin, die die Menschen weiter ziehen lässt und stellte mit Blick auf Europa wahrheitsgemäß fest: „Es gibt auf der einen Seite sehr viel Humanität und auf der anderen Seite sehr viel Angst.“ Angesichts dessen müsse die Politik die Lage managen. Der Europaabgeordnete Elmar Brok von der CDU beschwor ein ums andere Mal die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Lösung. Nichts war da wirklich strittig.

„Wir waren niemals eine Wertegemeinschaft; das war eine Illusion“

Höchst strittig war allerdings die Perspektive, aus der die Diskutanten das Problem betrachteten. Der den Tränen nahe Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges war samt Kameramann in einem slowenischen Flüchtlingscamp, in dem die Menschen wie Gefangene gehalten werden – weithin ohne Nahrung und auch ohne Wasser, auf dem Boden schlafend.

Er sagte: „Wir waren niemals eine Wertegemeinschaft; das war eine Illusion. Man wollte Geld. Jetzt ist Humanität gefragt. Sie wird nicht gezeigt. Jeder macht seine Politik. Jeder gegen jeden. Und fast alle gegen Deutschland.“ Jörges also machte die Flüchtlinge zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen.

Dem ehemalige CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler war das anscheinend vollkommen egal. „Wenn jemand im Stich gelassen wird, dann ist es die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland“, formulierte er allen Ernstes kurz nach den Eindrücken aus Slowenien.

Wertegemeinschaft Europa

So als müssten die Deutschen Elend leiden. Und der Schweizer Publizist Frank A. Meyer erklärte, nur wenn Europa die Situation wieder kontrolliere, sprich: die Grenzen für Flüchtlinge abschotte, könne es als Wertegemeinschaft bestehen. Welche Werte das sein könnten, von denen Meyer sprach, blieb unklar. Aber es schien so, als fülle der selbst ernannte „Verfassungspatriot mit Schweizer Pass“ seine Wertegemeinschaft vor allem mit Geld.

So sehr man sich theoretisch also einig war, was eigentlich zu tun sei, war man sich ebenso radikal uneins darüber, was zu tun sei, wenn das eigentlich Nötige nicht geschieht. Fleming und Jörges wollen Lösungen für die bedrängten Menschen auf der Flucht. Gauweiler und Meyer wollen die Zugbrücke hochziehen – und wenn es sein muss, die nationale.

Die ohnehin schüttere Wertegemeinschaft Europa wird so nicht zu retten sein.