Der „Tatort“ aus Saarbrücken: Divers, aber toxisch
Hooligans hauen, Frauen aber auch. Viel mehr können die Zuschauer aus dem neuen Fall von Schürk und Hölzer leider nicht mitnehmen.

Ein junger Mann bereitet sich auf eine Gruppenkeilerei vor – kurz darauf fliegen auf einem alten Bahngelände die Fäuste, knacken die Knochen. Äußerlich könnte der Typ ein Kumpel der Kommissare Schürk und Hölzer sein. Die beiden Saarbrücker Ermittler langen auch gern mal zu, besonders der dauergrimmige Adam Schürk arbeitet oft lieber mit den Fäusten als mit dem Kopf. Der junge Hooligan geht im brutalen Kampfgetümmel schnell zu Boden, taumelt wenig später blutüberströmt in die Notaufnahme. Er stirbt – aber nicht wegen der Schläge an den Kopf, sondern wegen eines Stichs in den Oberschenkel.
Während Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) im Krankenhaus mit der Arbeit beginnt, bekommt sein Kollege Schürk (Daniel Sträßer) ungebetenen Besuch in seinem schicken neuen Heim: Ein vermummter Angreifer fordert Geld von ihm – wird aber gewaltsam vertrieben. Dabei geht es immer noch um die Beute, die Schürks inzwischen toter Vater mit seinem Bruder einst geraubt hatte. Die Redakteure des Saarländischen Rundfunks schwören auf das „horizontale Erzählen“ und spinnen die Story seit nunmehr drei Jahren weiter, vergessen oder ignorieren dabei aber, dass die meisten Zuschauer die Details der Fälle aus Saarbrücken nach einem Jahr vergessen haben dürften. Jedenfalls stört Schürks fortgesetzte Beute-Nummer den aktuellen Fall, und – soviel sei verraten – sie wird auch mit dem vierten Fall noch nicht beendet. Deshalb muss auch das Verhältnis der beiden Jugendfreunde arg belastet bleiben – „toxisch“ nennt Kollegin Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) deren Beziehung.
Diversität wird regelrecht ausgestellt
Die beiden Frauen im Ermittlerteam, die in den ersten beiden Fällen noch wie Praktikantinnen vorgeführt wurden, bekommen diesmal mehr Raum. Esther Baumann (Brigitte Urhausen) outet sich als Fan des ortsansässigen Fußballclubs – und die Kollegen im Büro sind darüber so entsetzt, als hätte Esther eine Bank überfallen. Sind die Saarbrücker Fußballer wirklich so peinlich? „Diverses Erzählen und facettenreiche, unstereotype Frauenfiguren“ sollen diesen „Tatort“ bestimmen, betont Regisseurin Kerstin Polte.
Diversität wird in diesem „Tatort“ regelrecht ausgestellt, als gelte es, damit Punkte zu sammeln. So will hier ein schwules Paar ein Mädchen adoptieren – der Notfallarzt lebt mit einem Schwarzen zusammen.
Autorin Melanie Waelde, die im Kinofilm „Nackte Tiere“ von einer jugendlichen Ju-Jutsu-Kämpferin erzählt hat, stellt auch im „Tatort“ eine weibliche Schlägerin in den Mittelpunkt: Alina, die Mutter des Mädchens, wirft sich nicht nur bei der Gruppenkeilerei beherzt ins Getümmel, sondern wehrt sich auch sonst mit aller Kraft gegen die Männer. Darstellerin Bineta Hansen war in ihrer Jugend mal erfolgreiche Boxerin und ist heute Mitglied des queeren Stammtischs am Stadttheater Konstanz. Ihre kraftstrotzende, aggressive Alina wirkt, als wolle sie partout beweisen: Frauen können genauso kloppen wie die Männer – und genauso bekloppt sein. Letztlich folgt der „Tatort“ mit dem prätentiösen Titel „Die Kälte der Erde“ also eher einem plumpen Spruch von Mario Barth.
Wertung: 2 von 5
Tatort: Die Kälte der Erde. Sonntag, 29. Januar, 20.15 Uhr, ARD