Heidi Klum verteidigt „Germany’s Next Topmodel“: Wie glaubwürdig ist ihr Konter?
Zum Staffelauftakt ihrer Show nimmt Heidi Klum Stellung zu Vorwürfen, die gegen ihre Sendung erhoben werden. Die Models träfen ihre eigenen Entscheidungen. Stimmt das?

Mit einem kurzen musikalischen Einspieler ging am Donnerstagabend die 18. Staffel von „Germany's Next Topmodel“ los: „It's the most wonderful time of the year.“ Nun ja, die einen sagen so, die anderen so. Zuletzt sah sich die Model-Castingshow von Heidi Klum jedenfalls scharfer Kritik ausgesetzt. Die Vorwürfe sind nicht neu, sondern so alt wie die Sendung selbst. Aber im vergangenen Jahr waren die kritischen Stimmen unter anderem mit Youtuber Rezo und der früheren Kandidatin Lijana Kaggwa besonders laut.
Ein Umstand, den auch die Chefin der Sendung nicht ignorieren wollte: Gleich zu Beginn der Show äußerte sich Heidi Klum zur Kritik. Nachdem sie sich so viele Sachen habe anhören müssen, wolle sie nun auch einmal Stellung beziehen, sagte die 49-Jährige. „Ich komme aus einer Zeit, in der die Branche noch ganz anders funktioniert hat“, erklärte Klum. Wer nicht in eine Größe 34 gepasst habe, hätte nach Hause gehen können. Davon sei sie selbst auch oft betroffen gewesen.
Passend dazu wurden Interview-Ausschnitte aus ihrer Anfangszeit als Model eingespielt, zum Beispiel eine Talksendung mit Alfred Biolek. Dort wurde Klum von ihrem 2021 verstorbenen Gastgeber gefragt, warum sie nach Amerika gegangen sei. Darauf antwortete Klum, sie habe in Mailand, Deutschland, Paris angefangen, als „diese superdünnen Mädchen sehr gefragt“ gewesen seien. Da habe sie nicht mithalten können – und dies auch nicht gewollt.
Ob sie denn überwiegend Fotos mache oder auch über den Steg laufe, hakte Biolek nach. „Ich laufe nicht sehr viel über den Steg, weil ich eben nicht ganz so dünn bin wie die anderen“, antwortete Klum, deren Karriere 1992 mit der Teilnahme am Wettbewerb „Model ’92“ begann, der im Rahmen der von Thomas Gottschalk moderierten Show „Gottschalk Late Night“ stattgefunden hatte.

Tatsächlich galt Klum in ihrer Modelkarriere als zu kurvig für den Laufsteg, weder in der Prêt-à-porter noch in der Haute Couture konnte sie Fuß fassen. Unvergessen Karl Lagerfelds Lästerattacke über die 1,76 Meter große Bergisch Gladbacherin: „Ich kenne sie nicht. Claudia kennt die auch nicht. Die war nie in Paris, die kennen wir nicht.“ Wolfgang Joop stieß ins selbe Horn und sagte 2009 über seine spätere „GNTM“-Kollegin: „Sie ist kein Laufsteg-Model. Heidi Klum ist einfach zu schwer, hat vielleicht sogar zu viel Oberweite. Und sie grinst geradezu dümmlich. Das ist nicht Avantgarde – das ist Werbung!“
Klum machte trotzdem Karriere und vor allem viel Geld. 1997 lief sie zum ersten Mal für das Unterwäschelabel Victoria’s Secret, ein Jahr später kam der Durchbruch mit einem Titelfoto auf der Bademodenausgabe der Sports Illustrated. Sie erschien auch auf den Titelseiten von Vogue und Elle, wurde ein international gefragtes Model und Werbegesicht. In Sachen Selbstvermarktung macht der Unternehmerin (geschätztes Vermögen: 130 Millionen Euro) bis heute so schnell keiner was vor.
Warum sie nun allerdings die frühere Kritik an ihrem Körper als Beispiel anführt, um ihre Sendung zu verteidigen, erschließt sich nicht ganz. Die eigene Betroffenheit als Schutzschirm gegen Kritik an den Bewertungsmechanismen ihrer Sendung? Es gibt genügend Beispiele dafür, wie „GNTM“-Kandidatinnen besonders in den Anfangsjahren wegen ihres „nicht normgerechten“ Körpers kritisiert wurden. Das sei fürs Modeln „zu viel des Guten“, urteilte ein Juror über die Figur einer Kandidatin, eine andere wurde vor laufenden Kameras vermessen, ob sich ihr Hüftumfang „verbessert“ habe.
Dazu hätte Klum Stellung nehmen können: Wieso sie jungen Frauen, obwohl sie es besser weiß und eigene Erfahrungen gemacht hat, dem Bodyshaming ausgesetzt hat. Schließlich weiß sie doch Bescheid, wie sie selbst am Donnerstagabend sagte: „Ich weiß, wie es ist, Negativkommentaren ausgesetzt zu sein.“
Doch diese Zeit sei vorbei, sie nehme Diversity ernst. „Bei uns haben auch die eine Chance, die man sonst nicht auf den Laufstegen sieht.“ Dabei hatte man gerade zum Auftakt der neuen Staffel das Gefühl, dass die Diversity bereits wieder auf dem Rückzug ist bei „GNTM“, zumindest in einer Kategorie: Waren im vergangenen Jahr auch viele ältere Teilnehmerinnen dabei wie die 50-jährige Martina Gleißenebner-Teskey, die bis ins Finale kam, bewegen sich die Kandidatinnen diesmal wieder zwischen 18 und 26 Jahren. Pluspunkt in Sachen Diversity: Es sind auch wieder Curvy Models dabei.
„Germany's Next Topmodel“: Ist da wirklich nichts gescripted?
Klum bestritt außerdem Vorwürfe, ihre Show sei nicht echt: „Wir sind eine Reality-Sendung und zeigen genau das, was passiert.“ Alles, was die Models täten und sagten, sei ihre eigene Entscheidung. Eine Darstellung, die bereits einige frühere Kandidatinnen bestätigt hatten. Auch bei Ex-Juror Wolfgang Joop im aktuellen Spiegel-Interview hört es sich nicht nach einem gescripteten Format an, was der Designer über „Germany's Next Topmodel“ erzählt.
Nur das Timing werde von der Redaktion mitbestimmt, so Joop, der in den Staffeln 9 und 10 in der Jury saß: „Die sagen dann so was wie: ‚Lass die noch nicht gehen, da kommt noch der Boyfriend, das gibt viele Freudentränen, das nehmen wir noch mit.‘“ Dass etwa die Top 3 schon vor der Sendung feststehen, wie immer mal wieder behauptet wird, glaube er nicht, so Joop. Wer rausfliegt, entscheide Klum allerdings allein. Beim Finale sitze sie in der Garderobe und brüte: „Das war, als würde der Papst gewählt.“

Er habe sich selbst schon gefragt, ob das Konzept von „Germany's Next Topmodel“ noch zeitgemäß sei, resümierte Joop und beantwortete sich die Frage gleich selbst: „Mädchen nach ihrem Äußeren zu bewerten, hat etwas Zweifelhaftes. Es hätte mich nicht überrascht, wenn das Format abgesetzt worden wäre.“ Für die Kandidatinnen sei die Show jedenfalls „unglaublich anstrengend. Emotional sowie physisch.“
Am Ende dürften wohl vor allem die Quoten entscheiden, wie es mit der Show weitergeht. Die Auftaktfolge am Donnerstag jedenfalls lag zuschauertechnisch hinter dem „Bozen-Krimi“ im Ersten, der Karnevalsshow „Kölle Alaaf - Die Mädchensitzung“ im ZDF und der Fußballübertragung bei RTL. Im Schnitt 1,73 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen bei ProSieben den Auftakt zur 18. Staffel.
Vor einem Jahr schauten den Auftakt noch etwa 300.000 Zuschauer mehr, vor zwei Jahren sogar etwa 600.000. ProSieben zeigte sich dennoch zufrieden und schielte auf den Marktanteil in der als wichtig erachteten Zielgruppe: „Wunderbare 19,9 Prozent der jungen Zuschauer:innen (14-49 J.) verfolgen am Donnerstagabend, wie Heidi Klum ihre Kandidatinnen in L.A. begrüßt und mit einer Fashionshow überrascht“, heißt es in einer Sendermitteilung.