„Germany’s Next Topmodel“: Warum wird diese Show eigentlich nicht abgesetzt?
Kaum eine deutsche Show wird häufiger gegeißelt als „Germany’s Next Topmodel“. Und doch legt Heidi Klum am 16. Februar wieder unverdrossen los.

Am 16. Februar beginnt die neue Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ – es ist bereits die 18. Ausgabe der Castingshow. Für alle, die es nicht glauben können: Die jährliche Modelsuche gibt es tatsächlich schon seit 2006, damals siegte die blonde Lena Gercke. Sie blieb eine der wenigen Gewinnerinnen, von denen man auch heute noch etwas hört.
Im Prinzip gilt eine einfache Formel: Je länger die Sendung lief, desto schneller verschwanden die gekürten Topmodels nach ihrem Sieg in der Versenkung. Oder wer weiß heute noch etwas anzufangen mit Toni Dreher-Adenuga (Gewinnerin der Staffel 13) und ihren Nachfolgerinnen Simone Kowalski und Jacqueline „Jacky“ Wruck? Auch die Titelträgerin des Vorjahres, Lou-Anne Gleißenebner-Teskey, hatte man schon wieder vergessen, kaum dass das kreischbunte Showfinale endlich ein Ende fand.
Manche Kandidatinnen sieht man später noch im Dschungelcamp wieder oder bei „Let’s Dance“, aber dafür braucht es keine Modelqualitäten, sondern eher ein paar herausstechende Charaktereigenschaften. Stichwort: Nervpotenzial.
Inzwischen fragt man sich ob der vielfachen Vorwürfe gegen das Format und seine Vorsteherin Heidi Klum, wie „Germany’s Next Topmodel“ überhaupt so lange überdauern konnte. An den Quoten kann es jedenfalls nicht liegen. Sie befinden sich nach erfolgreichen Anfangsjahren im Sinkflug. Schalteten 2006 noch gut drei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer ein, waren es im vergangenen Jahr nur noch zwei Millionen. Allenfalls die immer noch recht ordentlichen Marktanteile in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen oder der Mangel an attraktiveren Formatideen können es sein, die ProSieben bei der Stange halten.
Um die Welt jetten und Diversität predigen: Hier passt nichts zusammen
Ansonsten dürfte es wohl vor allem am beinharten Durchhaltewillen von Moderatorin Heidi Klum liegen, dass „Germany’s Next Topmodel“ gegen alle Widerstände Jahr um Jahr wieder über die Bildschirme flimmert. Noch immer gilt der einst in Klums Wahlheimat Amerika erdachte Formatexport als attraktives Werbeumfeld im Hinblick auf die oben erwähnte Zielgruppe – geworben wird für Mode, Kosmetik, Autos und natürlich für Heidi Klum selbst. Über Jahre hinweg übernahm die Familie Klum auch die Vermarktung der Siegerinnen. Die unbändige Energie des bekanntesten Gesichts von Bergisch Gladbach zahlt sich aus: Laut Forbes besitzt Heidi Klum inzwischen ein geschätztes Vermögen von 130 Millionen Euro (Stand: Februar 2022).
Da schmerzt es wohl nicht allzu sehr, dass ihre hierzulande bekannteste Sendung dem Zeitgeist längst nicht mehr entspricht. Auch in Zeiten des Klimawandels wird Staffel für Staffel fröhlich um die Welt gejettet: für ein Shooting nach Los Angeles, für eine Gala nach New York. Da lacht der ökologische Fußabdruck.

Andererseits kann niemand behaupten, Klum verweigere sich dem Wandel. Seit der 16. Staffel betont die 49-Jährige gebetsmühlenartig, dass sie Wert auf Diversität lege. Dahinter steckt knallhartes Kalkül: Diversität wird im Klum’schen Universum zum Feelgood-Feigenblatt. Da muss es reichen, dass einige Kandidatinnen nicht den herkömmlichen Model-Standards entsprechen. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Im vergangenen Jahr schaffte Heidi Klum es noch nicht mal, die Kandidatinnen nicht mehr „meine Mädchen“ zu nennen.
In der berüchtigten Umstyling-Folge ließ sich eine junge Frau die ihr soeben aufgezwungene Echthaarperücke kürzen – und zog sich damit den Zorn der GNTM-Chefin zu. „Ich habe mir was bei dem Look gedacht“, erklärte Klum damals entsetzt. Die Perücke habe 7000 Euro gekostet, das sei ja wohl „extremst respektlos“. Die Kandidatin musste gehen – Heidi Klum hat leider kein Foto für Frauen, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Und auch die so viel beschworene Personality, von der Klum immer wieder spricht, bleibt natürlich auf der Strecke, wenn man allzu eigensinnige Kandidatinnen mit schöner Regelmäßigkeit aussortiert.
So alt wie das Format inzwischen ist, so alt ist auch die Kritik an der Sendung. Regelmäßige Shitstorms sind längst einkalkuliert. 2022 war es zunächst die frühere Topmodel-Kandidatin Lijana Kaggwa, die mit ihren Vorwürfen für Wirbel sorgte. Die 26-Jährige äußerte in einem knapp halbstündigen YouTube-Video scharfe Kritik an der GNTM-Produktionsfirma, warf ihr vor, Kandidatinnen bewusst manipuliert, Streit geschürt und Pannen provoziert zu haben. Eine Darstellung, die die frühere Teilnehmerin Tessa Bergmeier im diesjährigen Dschungelcamp verstärkte: Sie sprach von Machtmissbrauch, nannte Klum eiskalt und empathielos.
Mädchen und Maschen: Auch YouTuber Rezo zerlegte das Format
Der bekannte YouTuber Rezo, dessen Video „Die Zerstörung der CDU“ 2019 eine breite gesellschaftliche Debatte ausgelöst hatte, nahm sich „Germany’s Next Topmodel“ im vergangenen Jahr ebenfalls vor. Unter dem Titel „GNTM Exposed: Mi$$brauch, Lügen und Minderjährige“ sezierte er das Format und kritisierte es scharf. Ihm seien einige „Maschen“ besonders kritisch aufgefallen. So seien in praktisch jeder Staffel junge Frauen dazu gebracht worden, sich für das Fernsehpublikum zu sexualisieren. Man sehe immer wieder Mädchen und Frauen, die sich sichtlich unwohl dabei fühlten, sich so nackt und so sexy zu präsentieren, wie Klum das von ihnen verlange. Rezo zeigte Ausschnitte mit Teilnehmerinnen, die wegen der geforderten Nacktaufnahmen in Tränen ausbrachen oder Befürchtungen äußerten, Freunde und Familie könnten sie so freizügig sehen.
Mehr als vier Millionen Menschen haben sich das Video angesehen. Unbeeindruckt von alldem geht die Modelsuche nun wieder an den Start, als sei nichts gewesen. Fleißig werden die neuen Kandidatinnen beworben: Eine 18-Jährige namens Emilia sei 1,94 Meter groß und wolle mit ihrer Teilnahme allen großen Frauen Mut machen. Die 19-jährige Lara aus Aschbach pierce und tätowiere sich selbst. Und eine gewisse Melina „bezaubert mit ihren Kurven“, wie es in der offiziellen Pressemitteilung heißt.
Neben all der Kritik zeigt allein schon dieses Wording: Wer „Germany’s Next Topmodel“ einschaltet, muss die Feministin in sich stummschalten – und auch sonst eine Menge ausblenden.
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