Genderfragen im Münsteraner Tatort: Hänger oder Hängerin?

Schwul nach Feierabend? Jedem Tierchen sein Pläsierchen! Boerne und Thiel müssen eine Sensibilitätsbeauftragte wählen und ermitteln in der Influencerszene.

Wird Haller Haller (Christine Urspruch) die Sensibilitätsbeauftragte? Boerne (Jan Josef Liefers) ist dafür.
Wird Haller Haller (Christine Urspruch) die Sensibilitätsbeauftragte? Boerne (Jan Josef Liefers) ist dafür.WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas

Nur der Kühlschrank ist Zeuge. Die Kamera in seinem Inneren zeichnet auf, wie eine junge Frau die Tür öffnet, hektisch sucht, zusammenbricht und erstickt.

Doch aufgefunden wird sie erhängt an einem Stromkabel, und der Kommissar Thiel (Axel Prahl) streitet im Auto mit Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) über die korrekte Bezeichnung der Toten. Sie sei kein „Hänger“, belehrt Thiel den Kollegen, sondern eine „Hängerin“.

Das Münsteraner Team muss sich den Herausforderungen der Gendersprache stellen und dazu eine „Sensibilitätsbeauftragte“ wählen. Boerne schlägt seine kleinwüchsige Assistentin Haller (Christine Urspruch) vor, weil sie immer klein sei und nicht nur „schwul nach Feierabend“, wie der Innendienstkollege Schrader (Björn Meyer). Während andere „Tatorte“ auf dieser Strecke eine recht streberhafte Beflissenheit an den Tag legen und gar keinen Spaß verstehen, bleibt der Münsteraner „Tatort“ gendertechnisch also betont „unkorrekt“. „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“, entgegnet Boerne stur auf Schraders Proteste, er sei doch „queer“. Der ignorante Pathologe darf sogar frauenfeindliche Sprüche klopfen, ohne moralisch gleich verdammt zu werden.

Mama-Influencerin mit Plastikbaby

Aus spöttischer Distanz werden auch die sogenannten „sozialen“ Medien betrachtet, in die sich die Münsteraner vertiefen müssen. Denn die Tote war unter dem Namen „MagicMom“ eine erfolgreiche „Influencerin“ mit Hunderttausenden Followern – beziehungsweise Followerinnen, denn die meisten waren weiblich. Sie hatte vor der Kamera Tipps für Haushalt und Erziehung gegeben – und im Hintergrund diverse Produkte ins Bild gerückt.

Thiel trifft auf eine Konkurrentin namens „Busy Biene“ und einen Verehrer namens „Lonesome Dad“ – beide seltsamerweise in Münster. Offenbar reicht das World Wide Web hier nicht besonders weit. Wie erwartet, hat das reale Leben der „Momfluencerinnen“ nicht viel mit dem Spiel vor der Kamera zu tun. „Busy Biene“ hat nicht mal ein leibhaftiges Kind, sondern agiert mit Puppen. Doch Kinder seien nun mal das „It-Piece“ des Lebens, betont sie – ein Spruch zum Ausschneiden.

Der von Autorin Regine Bielefeldt erdachte Kriminalfall ist an sich nicht besonders spannend und hätte theoretisch auch in der Dreiviertelstunde einer Vorabendserie erledigt sein können. Doch die Truppe in Münster baut nun mal auf die ausgiebigen Frozzeleien zwischen dem bodenständigen Thiel und dem arroganten Boerne – und die launigen Dialoge machen auch diesen Fall einigermaßen unterhaltsam.

Besonders witzig ist die Idee, dass sich Boerne diesmal selbst in Videos im YouTube-Stil zeigt und erklärt, was unter „bigott“ zu verstehen und was ein „Angio-Ödem“ sei. Während die Regisseurin Michaela Kezele geschickt mit den visuellen Gimmicks der Influencer-Szene spielt, beweisen Jan Josef Liefers und Axel Prahl eine Lockerheit, die mitunter wie improvisiert wirkt. Ihr Dauerduell spielen sie längst jenseits der Kamera weiter. So werden die beiden Schauspieler im Presse-Interview befragt, wie sich Kommissar Frank Thiel als Influencer nennen  würde - und Spaßvogel Liefers steuert so schöne Namen wie „Trank Fhiel“ oder „Magic Sheriff“ bei. Leider haben es diese Späße nicht ins Drehbuch geschafft – wo eher müde Scherze über einen „Boerne-Out“ gemacht werden.

Wertung: drei von fünf Punkten

Tatort: MagicMom. Sonntag, 5. März, 20.15 Uhr, ARD