Mainz-„Tatort“ mit Heike Makatsch: Der Tod der alten Dame
Heike Makatsch ist die nervigste Tatort-Kommissarin von allen. So auch in ihrem neuesten Fall, wo das eigentliche Thema schnell aus dem Fokus gerät.

Eine Witwe (Michaela May) sitzt allein im Krematorium. Doch der Sarg hat nur Kindergröße: Wer wurde hier begraben? Der Blick von außen zeigt: Es ist ein Tierkrematorium, die Frau hat sich von ihrem geliebten Hund verabschiedet. Schon die ersten Bilder sollen also irritieren. Ein freundlicher junger Chauffeur (Klaus Steinbacher) fährt die trauernde Charlotte zu deren Freundin Bibiana (Ulrike Krumbiegel). Die lebt in einer Villa und der Fahrer wirft gleich prüfende Blicke auf das luxuriöse Anwesen.
Wenige Wochen später liegt die reiche Freundin tot in ihrem Schlafzimmer. Alleinerbin ist die Freundin Charlotte – und deren Geliebter ist inzwischen der junge Chauffeur! Na hallo! Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch), die den vorbestraften Kerl in der Villa stellt, ist davon überzeugt, der zwielichtige Typ müsse hinter dem Tod der reichen Dame stecken. Sie sehe es in seinen Augen – so erklärt sie dem Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg) und so erklärt sich auch der Filmtitel.
„In seinen Augen“ ist der vierte „Tatort“ mit Heike Makatsch und der dritte gemeinsame Fall mit Sebastian Blomberg – der äußerlich kaum wiederzuerkennen ist, denn er trägt einen grauen Bart und wirkt mindestens 15 Jahre älter. Dabei ist Blomberg sogar ein Jahr jünger als Kollegin Makatsch. Will sich der Schauspieler dem Jugendwahn verweigern oder hat sein Alterssprung dramaturgische Gründe?
Zickenduell zwischen Kommissarin und Staatsanwältin
Heike Makatsch jedenfalls gilt seit 2016 als nervigste „Tatort“-Ermittlerin – und die Selbstbezogenheit und das Selbstmitleid ihrer Ellen Berlinger spielt sie auch diesmal wieder voll aus. Diesmal kommen allerdings Selbstzweifel dazu – das macht sie immerhin etwas sympathischer. Zunächst liefert sie sich ein heftiges Zickenduell mit der Staatsanwältin (Abak Safaei-Rad), die darauf besteht, Fakten statt Unterstellungen zu liefern. Berlinger und Rascher bekommen nur eine Nacht Zeit, um den verhafteten mutmaßlichen Mörder zu überführen – und rekapitulieren in aller Ruhe erstmal ihre Ermittlungen.
Autor Thomas Kirchner, der mit seinen Drehbüchern für die „Spreewaldkrimis“ im ZDF Fernsehgeschichte geschrieben hat, spielt wieder mit den Zeitebenen. Doch was im Spreewald organisch ineinanderfloss, das wirkt in der Großstadt Mainz konstruiert. Um den Zuschauern eine optische Orientierung zu geben, trägt Rascher bei den Szenen in der Gegenwart seinen Arm im Gipsverband – er war bei der Verfolgung des Inhaftierten gestürzt. Ist Rascher ohne Gipsverband zu sehen, handelt es sich also um Rückblenden. Ohne diese Krücke würde der Film tatsächlich kaum funktionieren.
Leider gerät das eigentlich Drama aus dem Fokus: Die Beziehung zwischen einer Frau Ende sechzig und einem Mann Anfang dreißig. Da der Mainzer „Tatort“ sich mehr um die Befindlichkeiten seiner Kommissarin kümmert, haben Michaela May und Klaus Steinbacher, der sogar 42 Jahre jünger als seine Kollegin ist, zu wenige Szenen, um zu zeigen, wie das Paar sich gegen die Unterstellungen ihrer Umgebung wehrt. Nicht nur Berlinger ist skeptisch und hetzt die Frau gegen ihren Geliebten auf. Der aggressive drogensüchtige Sohn des Mannes (Linus Moog) wehrt sich vehement gegen dieses seltsame Verhältnis. Auch wenn Regisseur Tim Trageser zum Schluss noch einmal das Tempo anziehen kann und die Story sich zuspitzt – wirklich überzeugen können weder das allzu gewollte Drehbuch, manch unplausible Wendung noch das Kommissarsduo.
Wertung: 2 von 5 Punkten
Tatort: In seinen Augen, So, 26. Juni, 20.15 Uhr, ARD