Sahra Wagenknecht wünscht sich eine neue Friedensbewegung auf der Straße

In der Sendung „Maischberger“ bringt die Linke-Politikerin den alten FDPler Gerhart Baum gegen sich auf: „Ihre Analyse geht an der Realität vorbei.“

Sahra Wagenknecht (Die Linke) will Verhandlungen mit Russland.
Sahra Wagenknecht (Die Linke) will Verhandlungen mit Russland.Rolf Vennenbernd/dpa

Wird Sahra Wagenknecht eine neue Partei gründen? Sandra Maischberger fragt am Mittwoch kurz vor Mitternacht dreimal nach und erhält doch keine klare Antwort. Nur diese: „Wenn ich das irgendwann mal tue, werden Sie das garantiert erfahren.“ Im Moment beschäftige sie der Gedanke, dass in Deutschland eine neue Friedensbewegung mehr Druck auf der Straße machen solle. Nach ihrer Zählung sei die Hälfte der Bevölkerung hierzulande für sofortige Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine.

In der „Maischberger“-Sendung im Ersten bestreitet die 53-jährige Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht zusammen mit dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) eine Gesprächsrunde sozusagen als Jubiläum. Die beiden waren im selben Studio vor fast genau einem Jahr aufeinandergetroffen, um eine Impfpflicht zu besprechen und den, wie es damals hieß, „Ukraine-Konflikt“.

Wagenknecht bringt Gerhart Baum zum Stöhnen

Gerhart Baum redet sich nun in Rage, weil er einerseits klarmachen möchte, dass er für viele russische Menschen Sympathie empfinde, andererseits entsetzt sei über die Politik Wladimir Putins. Der hätte kein Konzept für sein Land. Oder nur das eines russischen Reiches nach den Ideen von Zar Peter dem Großen. Sahra Wagenknecht widerspricht der Aussage, dass in der Ukraine die Demokratie verteidigt werde. „Das ist der russische Oligarchenkapitalismus gegen den ukrainischen Oligarchenkapitalismus.“ Der 90-Jährige neben ihr stöhnt kurz und sagt: „Ihre Analyse geht an der Realität vorbei.“

Wagenknecht erinnert sich auf Nachfrage der Moderatorin, in der Sendung vor einem Jahr gesagt zu haben, Russland hätte kein Interesse, in die Ukraine einzumarschieren. Sie benennt das, was die russische Armee auf Veranlassung des russischen Präsidenten seit dem 24. Februar 2022 tut, als einen „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“. Sie interpretiert die Gründe so: „Die Russen haben deutlich gemacht, dass sie nicht akzeptieren, dass die Ukraine ein militärscher Vorposten der Nato wird.“ Das klingt bei aller Ablehnung des Vorgangs nach Verständnis für den Angreifer. Wer die Auftritte Sahra Wagenknechts in den vergangenen Monaten verfolgt hat, wird das nicht überrascht haben.

Überraschend ist aber das kurze Frage-Antwort-Spiel zwischen Sandra Maischberger und ihrem letzten Gast Helge Schneider in den ersten Minuten des Donnerstags. Der Musiker kommt mit einem eleganten Gehstock zu seinem Stuhl im Zentrum des Studios, er habe „Knie“, erklärt er. Maischberger will wissen, wo er sich sehe: „FDP oder Grüne?“. Helge Schneider antwortet: „Nichts.“ Und dann „Sahra Wagenknecht oder Gerhart Baum?“ Er: „Sahra Wagenknecht.“ Das Gesicht der Moderatorin verformt sich zum Fragezeichen. Der Gast legt nach: „Besseres Kleid.“ Die Linke-Politikerin trug ein zweiteiliges Ensemble in leuchtendem Rot, ein bisschen ähnlich übrigens dem Bühnenoutfit von Helge Schneider für seine neue Tour „Der letzte Torero“, wie auf einem Foto zu sehen.

Die üble Karnevalsrede von Friedrich Merz 2006

Aber Spaß beiseite. Beim Versuch, das Humorverständnis von Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und von Friedrich Merz (CDU) anlässlich einer Karnevalsrede zu erklären, scheiterten zuvor die drei journalistischen Gesprächspartner Dagmar Rosenfeld, Cherno Jobatey und Markus Feldenkirchen. Der TV-Moderator Jobatey gab zu, als Preuße wenig von Büttenreden zu verstehen, der Spiegel-Autor Feldenkirchen vermisste feine Spitzen anstelle deutlicher Worte. Er empfahl, für wirklich schlechte Witze eine Karnevalsrede von Friedrich Merz aus dem Jahr 2006 anzuschauen. Und Rosenfeld, Chefredakteurin der Welt am Sonntag, bat darum, das Ganze nicht so tierisch ernst zu nehmen.

Dem Ernst der Gegenwart hatten sie sich ausgiebig zu Beginn der Sendung gewidmet. Da ging es um den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Rolle Deutschlands dabei. Feldenkirchen empfiehlt, sich bei allen Entscheidungen zu fragen, ob wir, also Deutschland, zur Eskalation des Krieges beitragen. Das könnte auf die Kampfjets zutreffen, nach denen jetzt gefragt werde. Die bisherigen Waffenlieferungen aber hätten geholfen, „dass die Ukraine noch nicht in russischer Hand ist“. Cherno Jobatey charakterisiert die deutsche Hilfe als Unterstützung eines Landes bei seiner Notwehr.

Feldenkirchen verübelt in dem Zusammenhang Annalena Baerbock, jüngst vor dem Europarat in Straßburg nicht besser über ihre Wortwahl nachgedacht zu haben. Auf Englisch sagte sie: „Wir kämpfen in einem Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ Etwas nicht so gemeint und nicht so gesagt zu haben, könne man vielen Menschen durchgehen lassen, aber nicht einer Bundesaußenministerin. Rosenfeld fand in diesem Zusammenhang eine Gelegenheit, den Bundeskanzler zu loben: „Olaf Scholz sagt nicht: Die Ukraine muss siegen, sondern nur: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“

Aber noch sterben in der Ukraine weiterhin Menschen, werden Industrieanlagen verwüstet und Wohnhäuser zerstört.