Neuer Job für die Altkanzlerin: Bei RTL klärt Angela Merkel jetzt Verbrechen auf
Mit Blazer und Föhnfrisur ermittelt Katharina Thalbach als Hobbydetektivin Angela Merkel in der Uckermark. Eine Paraderolle.

In ihrem markanten roten Blazer spaziert sie mit Mann und Mops durch den Wald. Sie formt die Hände beim Ein- und Ausatmen zur Raute und ruft laut: „Freiheit!“ Angela Merkel (Katharina Thalbach) will endlich ihr Leben ohne Politik genießen. Doch seltsamen und eitlen Männern begegnet sie auch in der Uckermark. Ein Typ, der hoch zu Ross in Ritterrüstung durch den Wald galoppiert, sie erst erschreckt und dann gönnerhaft auf sein Fest einlädt, erinnert sie sofort an Berlusconi. Erlebnisse aus ihrer Kanzlerschaft lassen sie auch das laienhafte Schauspiel des Ritters Freiherr Philipp von Baugenwitz (Thomas Heinze) auf dem Schlosshof ertragen. „Wer eine sechsstündige Peking-Oper mit Xi Jinping durchgestanden hat, schafft auch dies hier“, raunt sie ihrem ungeduldigen Gatten Achim (Thorsten Merten) zu. Kurz darauf finden Merkel und ihr Leibwächter Mike (Tim Kalkhof) den eitlen Ritter tot in seinem Weinkeller. Nach einem Glas Rotwein war er zusammengebrochen und hatte mit letzter Kraft ein „a“ ans Fass gemalt. Angela Merkel spürt sofort eine neue Berufung: „Ich war erfolgreich in Wissenschaft und Politik, warum nicht auch als Detektivin?“
Tupfen mit einem Tüchlein vom Dalai Lama
Die freche Idee, der Ex-Kanzlerin unter ihrem realen Namen eine fiktive Zukunft als Hobby-Kriminalistin auszumalen, hatte David Safier. Der Bestsellerautor hatte zuvor schon Drehbücher für Erfolgsserien wie „Berlin, Berlin“ verfasst. Der Uckermark-Krimi erschien noch im letzten Regierungsjahr der Kanzlerin 2021 und bescherte ihr ganz neue Fans: Ich entdeckte das Buch auf dem Nachttisch unserer 13-jährigen Patentochter Clara, die bestimmt keine Merkel-Biografie lesen würde. Im Grunde ist „Miss Merkel“ eine Art Liebeserklärung: Wer wollte einen Pfälzer Landkrimi mit Helmut Kohl oder einen Erdgas-Thriller mit Gerhard Schröder lesen? Safiers Heldin ist eine humorvolle und warmherzige Frau, deren Herz schneller schlägt, als sie den toten Ritter findet. „Sie spürte das Adrenalin, das sie immer durchströmte, wenn sie vor unvorhergesehene, komplizierte Aufgaben gestellt wurde“, heißt es im Buch. In ihrer Analyse folgt sie als Kanzlerin wie als Miss-Marple-Wiedergängerin dem Prinzip von „Ockhams Rasiermesser“: Bei mehreren Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt entscheidet sie sich für die einfachste Theorie.
Safiers Idee, die kriminalistischen Recherchen mit den Erfahrungen und Erlebnissen ihrer politischen Laufbahn abzugleichen, liefert auch der RTL-Verfilmung einige Gags. Die Rotwein-Tropfen neben der Leiche tupft Frau Merkel mit einem Tüchlein vom Dalai Lama auf. Das Drehbuch stammt von Stefan Cantz, der zusammen mit Jan Hinter die Münsteraner „Tatort“-Krimis entwickelt hat, also im Genre der Schmunzel-Krimis sehr erfahren ist. Die Besetzung der Titelrolle mit Katharina Thalbach ist ein klares Bekenntnis zur Boulevard-Komödie. Politisch ambitionierte TV-Dramen mit Angela Merkel hatten noch Wert auf physische Ähnlichkeit gelegt. So spielte Heike Reichenwallner 2019 im ZDF-Doku-Drama „Stunden der Entscheidung“ die Kanzlerin, Imogen Kogge übernahm 2020 die Rolle im ARD-Pendant „Die Getriebenen“.
Katharina Thalbach zieht alle Register
Auch wenn bei Katharina Thalbach der Blazer etwas zu weit geschnitten erscheint, so ist sie doch bestens qualifiziert. Schließlich hatte sie 2013 in einer Polit-Satire über Karl-Theodor zu Guttenberg auf SAT.1 schon eine Kanzlerin namens Angela Murkel gespielt, und den Agatha-Christie-Klassiker „Mord im Orient-Express“, den Buch wie Film zitieren, hatte Katharina Thalbach selbst in der Komödie am Kurfürstendamm inszeniert – sie spielte den Detektiv Hercule Poirot. Die Thalbach zieht alle Register, macht sich die Figur ganz zu eigen und wirkt zuweilen sogar schrill – was dann mit der eher bedächtigen Original-Merkel nicht mehr viel gemein hat. Gedreht wurde „Miss Merkel“ auch nicht in der Uckermark, sondern rings um Potsdam – das Schloss der Familie von Baugenwitz ist das Schloss Marquardt. Noch ein wichtiger Unterschied zur Vorlage: Merkels Mops heißt nicht mehr Putin, sondern Helmut. Hundekacke-Scherze über einen Köter namens Putin wären angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine wohl unangemessen erschienen.
Die Inszenierung von Regisseur Christoph Schnee driftet oft ins Klamaukige ab. So werden Figuren wie die unbedarfte Rittersgattin Alexa (Judith Neumann) oder der abgerissene Kommissar Hannemann (Sascha Nathan) völlig überzeichnet. Leider wird die Figur von Merkels Gatten Achim, anders als im Roman, hier zur Nebenfigur – und das bei einer vielversprechenden Besetzung mit Thorsten Merten. Gerade die Buchdialoge zwischen Puffel und Puffelchen waren recht amüsant. So muss Miss Merkel die waghalsige nächtliche Tour durch den Geheimgang allein mit ihrem Leibwächter bestreiten. Katharina Thalbachs auftrumpfendes Spiel lässt meist vergessen, dass der Uckermark-Krimi an sich weder besonders spannend noch temporeich ist. Leser kennen die Auflösung während des Kaffeekränzchens zwar schon – die Art des Mordens aber wurde für den Film aktualisiert.
Miss Merkel – Ein Uckermark-Krimi. Dienstag, 21. März, 20.15 Uhr, RTL