Bild-Zeitung: Mit Horn übernimmt eine knallharte Business-Frau die Chefredaktion

Marion Horn war Partnerin einer PR-Agentur. Welche Kunden betreute sie dort und warum ist sie jetzt Chefin von Bild, Deutschlands größter Boulevard-Zeitung?

Die neue Bild-Chefredakteurin Marion Horn: Die ehemalige Chefredakteurin der Bild am Sonntag wechselte von der PR- und Kommunikationsagentur Kekst CNC zurück zur Bild.
Die neue Bild-Chefredakteurin Marion Horn: Die ehemalige Chefredakteurin der Bild am Sonntag wechselte von der PR- und Kommunikationsagentur Kekst CNC zurück zur Bild.Markus Scholz/dpa

Am Freitagmorgen leitete die neue Vorsitzende der Chefredaktion der Bild-Zeitung erstmals die Konferenz von Deutschlands größter Tageszeitung. Die 57-jährige Boulevardjournalistin, die von Johannes Boie den Chefposten übernommen hat, ist damit jetzt wohl Deutschlands mächtigste Journalistin.

Von 2001 an war Marion Horn schon einmal Mitglied der Chefredaktion von Bild und von 2013 bis 2019 sogar Chefredakteurin der Bild am Sonntag. Danach ging sie bis Mai 2022 in die PR. Jetzt wechselt sie wieder zurück zu Axel Springer und damit zurück in den Journalismus. Ein nicht ganz gewöhnlicher Vorgang für Journalisten.

Sinkende Auflage, aber großes Online-Geschäft: Die Bild ist immer noch Deutschlands größte Zeitung.
Sinkende Auflage, aber großes Online-Geschäft: Die Bild ist immer noch Deutschlands größte Zeitung.dpa

Horn wurde am 1. Januar 2021 Partnerin bei Kekst CNC, eine der größten PR- und Kommunikationsagenturen für strategische Kommunikation, für die an 13 Standorten rund 250 Mitarbeiter tätig sind. Als Partnerin sollte sie für die global agierende PR-Agentur „ihre journalistische Expertise“ nutzen, um Kunden von Kekst CNC, etwa bei „erfolgskritischen Veränderungsprozessen, in Sondersituationen sowie bei Reputations- und Krisenthemen“ zu beraten, wie es in der Pressemitteilung damals hieß.

Milliardenkonzerne wie Vitol, Philipp Morris & Tetra Pak

In der Pressemitteilung heißt es weiter: Marion Horn freue sich darauf, „für komplexe Sachverhalte belastbare Narrative und klare Storytellings zu entwickeln“. Für Kekst CNC arbeitete sie bis Mai 2022 also nicht mehr als Journalistin, sondern im Auftrag von Unternehmen. Sie wechselte die Seiten.

Laut Lobbyregister des Deutschen Bundestags unterstützt Kekst CNC mit seiner Beratungstätigkeit nicht nur große Unternehmen, Verbände und Organisationen in der Kommunikation und Public Relations, sondern betätigt sich auch in der Lobbyarbeit.

Auch im europäischen Transparenzregister ist CNC eingetragen. Laut Register gab man im Geschäftsjahr 2022 mehr als eine Million Euro für Lobbyarbeit aus. Das Unternehmen berät und beriet in der Vergangenheit Unternehmen u.a. wie Tetra Laval, Booking.com, Philipp Morris, Tetra Pak, Lightsource BP oder Univar Solutions.

Unter Julian Reichelt war Marion Horn Chefredakteurin der Bild am Sonntag. Jetzt wird sie Reichelts Nach-Nachfolgerin.
Unter Julian Reichelt war Marion Horn Chefredakteurin der Bild am Sonntag. Jetzt wird sie Reichelts Nach-Nachfolgerin.Bernd von Jutrczenka/dpa

Auch laut Auskunft des Lobbyregisters des Deutschen Bundestags macht Kekst CNC für viele namhafte und mächtige globale Konzerne Lobbyarbeit. Darunter für einen der weltweit größten Öl- und Gashändler: Es geht um Vitol mit Sitz in Genf und Rotterdam. Zu den Kunden in Deutschland zählen außerdem Thyssengas, die Generali-Versicherung oder etwa der Verband Familienbetriebe Land und Forst (ehemals Grundbesitzerverband).

Welche Kunden hatte Marion Horn?

Die Berliner Zeitung hat bei Kekst CNC nachgefragt, an welchen Themen Marion Horn während ihrer Tätigkeit für die Beratungsfirma arbeitete und welche Unternehmen sie betreut hat. Kekst CNC mochte sich nicht zu den Fragen äußern.

Ein Sprecher von Axel Springer sagte, Marion Horn habe als Partnerin bei Kekst CNC „verschiedene Mandanten in der strategischen Kommunikation und für Medientrainings beraten“. Konkrete Unternehmen unterlägen dem Mandantenschutz und könnten nicht genannt werden. Die Vermeidung möglicher Interessenskonflikte bei Bild sei in den „Leitlinien zur journalistischen Unabhängigkeit von Axel Springer“ klar und transparent geregelt.

Am 2. Januar 2023 berichtete die Bild in einem Artikel über Pyreg, ein im Lobbyregister aufgeführtes und von Kekst CNC vertretenes Start-up-Unternehmen. In der Serie „Sie machen Deutschland besser“ erschien ein langer und wohlwollender Artikel über eine Erfindung von Pyreg mit dem Titel: „Ihre Wundermaschine hat die Kraft von 180.000 Bäumen“. Wurde der Artikel von Kekst CNC lanciert? Natürlich lässt sich diese Frage nicht beantworten.

War der Wechsel in die Chefredaktion schon vorher klar?

Noch im Januar sagte Marion Horn einem Branchenprotal, sie wolle künftig Drehbücher schreiben. Sie besuche dafür „mehrmals pro Woche einen speziellen Kurs“. Laut ihres Twitter-Accounts war Marion Horn übrigens am 4. Januar 2023 in der neuen Axel-Springer-Zentrale in Berlin. Sie postete ein Foto aus dem Gebäude mit den Worten: „Wo bin ich und wenn ja: Warum?“ Ging es bei Horns Besuch bei Axel Springer bereits zu diesem Zeitpunkt um ihren neuen Posten? Oder führten sie einfach andere Gründe ins Haus?

Ein Sprecher von Axel Springer kommentiert im Nachgang an die Berichterstattung der Berliner Zeitung: „Der am 2. Januar 2023 in BILD erschienene Beitrag steht in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit von Marion Horn bei Kekst. Die Pyreg AG gehörte nicht zu den von ihr betreuten Mandaten. Sie ist zum 30. April 2022 aus der Kommunikationsberatung ausgeschieden.“

Transparenzhinweis: Der Geschäftsführer der Pyreg GmbH trägt denselben Nachnamen wie der Autor. Ein entferntes Verwandtschaftsverhältnis besteht, jedoch keine Bekanntschaft.

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