Luisa Neubauer bei Markus Lanz: „Fossile Energien stärken Autokraten“
Bei Markus Lanz wurde am Dienstag über große Herausforderungen unserer Zeit gestritten: den Ukraine-Krieg, eine drohende Hungerkrise und die Klimakatastrophe.

Markus Lanz begann seine Sendung am Dienstag mit der Einstiegsfrage, wie seine Gäste den am Vortag beendeten G7-Gipfel bewerten. Die Bilanzen fielen dabei sehr unterschiedlich aus. Während der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner (SPD) befand, dass es besser sei, wenn sich „die Mächtigen der Welt treffen, als wenn sie es nicht täten“, zeigte sich Luisa Neubauer enttäuscht. Die Klimaschutzaktivistin sagte über den Gipfel, dass, was dort besprochen wurde, im Kampf gegen die Klimakrise „in keiner Art und Weise reiche“. Auch die Zeit-Journalistin Yasmine M’Barek kritisierte die Ergebnisse des Gipfels als Symbolpolitik.
Beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau hatten sich die sieben zu ihrem Gründungszeitpunkt bedeutendsten Industrienationen in der westlichen Welt zwar darauf geeinigt, einen „Klimaclub“ zu gründen. Konkrete verpflichtende Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise wurden jedoch nicht beschlossen. Weiterhin entschieden die Teilnehmenden, 4,5 Milliarden Euro in die weltweite Ernährungssicherheit zu investieren. Um etwa die drohende Hungerkrise in Teilen Afrikas abzuwenden, soll darüber hinaus das feststeckende Getreide in der Ukraine verfügbar gemacht werden. Auch die Erklärung, weitere Sanktionen gegen Russland zu planen, finanzielle Hilfe beim Wiederaufbau der Ukraine und weitere Waffenlieferungen, gehörten zu den Ergebnissen des Gipfels.
Welche Sicherheitsgarantien für die Ukraine?
Im Anschluss begann eine bis zum Ende der Sendung teils hitzige Diskussion über die komplexen Zusammenhänge von Ukraine-Krieg, Klimawandel, Hungerkrise und sozialer Gerechtigkeit, die immer wieder ins argumentative Chaos abdriftete. Die Teilnehmer waren sich nicht immer im Klaren, über welche Problematik oder welchen Lösungsansatz gerade genau gesprochen wurde.
Die erste Meinungsverschiedenheit gab es über die Kommunikation des Kanzlers in der Ukraine-Krise. Markus Lanz spielte ein Video ein, in dem Scholz von einer Journalistin gefragt wurde, ob er die Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach dem Krieg erklären könnte: „Ja – könnte ich – das wars.“ Während Ralf Stegner Scholz in Schutz nahm und betonte, man könne zu diesem Zeitpunkt keine Sicherheitsgarantien offen preisgeben, kritisierte M’Barek, dass Scholz sich weiterhin erlaube, der Bevölkerung keine Antworten zu geben.
Stegner: „Unsere Annahme, dass Russland isoliert wird, war nicht richtig“
Im Anschluss versuchte Stegner umständlich, seine Strategie für eine schnelle und sichere Lösung des Krieges in der Ukraine zu erklären. Der SPD-Politiker sagte: „Unsere Annahme, dass Russland isoliert wird, war nicht richtig.“ Angesichts des Scheiterns der Politik, Russland mit Waffenlieferungen und Sanktionen in die Knie zu zwingen, müsse man dringend versuchen, an den Verhandlungstisch zurückzukommen. Sowohl um den Krieg möglichst schnell zu beenden, aber vor allem auch um das Getreide in der Ukraine aus den Häfen ausfahren zu lassen und eine Hungerkrise zu verhindern, bei der letztlich mehr Menschen sterben könnten, als im Krieg selbst. Man könne sich aber auch wirtschaftlich „keinen ewigen Stellungskrieg leisten“ und sollte diesen beenden, solange man das auf Druck der eigenen Bevölkerung tun müsse.
Lanz stellte zwar korrekterweise fest, dass Stegner damit noch keine konkrete Strategie vorschlug, wie etwa den Stopp von Waffenlieferungen. Dann verfiel der Moderator jedoch in sein altbekanntes und wenig produktives Nachbohren und erlaubte sich einen Angriff gegen Stegner: „Sie klingen gerade wie Peskow“, unterstellte er Stegner. Peskow ist der Pressesprecher des Kreml und hat erst diese Woche wieder die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert. Dass Stegner lediglich gefordert hatte, eine diplomatische Lösung mit Blick auf das feststeckende Getreide zu suchen und den Krieg nicht nur mit Waffenlieferungen zu entscheiden, übersah auch Luisa Neubauer, die Stegner Vorwarf, er spiele „das Leid der Menschen in Afrika und in der Ukraine gegen einander aus“.
Luisa Neubauer: „Fossile Energien stärken Autokraten“
Auch die Klimakrise und den Krieg in der Ukraine versuchte Stegner Neubauers Meinung nach abzuwiegeln, anstatt die Lösungen zusammenzubringen. Die aktuelle Situation zeige für sie: „Fossile Energien stärken Autokraten“. Der Krieg in der Ukraine zeige, dass wir so schnell wie nur möglich, in eine erneuerbare Energieschöpfung einsteigen müssten, auch um uns unabhängig von Ländern wie Russland zu machen. Derzeit unterstütze Deutschland Russland durch den Kauf von Gas noch bei der Kriegsführung, so die Klimaaktivistin. Das größte Problem ist in ihren Augen aber, „dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass die Regierung noch vorhabe, ausreichend Emissionen für die Bekämpfung des Klimawandels einzusparen“. Heute etwas mehr Kohle auszustoßen, um durch die aktuelle Krise zu kommen, sei okay. Dafür müsse man aber im Anschluss umso mehr sparen.
Atomkraftwerke laufen lassen, um durch den Winter zu kommen?
Yasmine M’Barek sprach sich dafür aus, die deutschen Atomkraftwerke bis 2030 laufen zu lassen. Diese erzeugten zumindest keine Emissionen und könnten helfen, die Stromversorgung über den kommenden Winter sicherzustellen. Ralf Stegner hielt das alte, aber handfeste Argument des Jahrtausende strahlenden Atommülls dagegen.
Luisa Neubauer warf in der Sendung der Bundesregierung, und somit auch dem anwesenden SPD-Politiker Ralf Stegner, Untätigkeit vor. Noch immer werde in ihren Augen eindeutig zu wenig unternommen, um die kommende Klimakatastrophe abzuschwächen. Neubauer: „Scholz war erst vor Kurzem im Senegal und hat die Inbetriebnahme eines neuen Gasfeldes vor der Küste befürwortet.“ Man spreche hier über Gas, das 2030 in Deutschland ankommen soll. Wenn Deutschland so weitermache, würde es unkalkulierbar, auf welche Folgen des Klimawandels sich auch Deutschland gefasst machen müsse. Noch könnte das Land aber selbst entscheiden, auf was es zu verzichten bereit wäre. In nicht allzu ferner Zukunft werde das Klima beginnen, uns dies zu diktieren.