„Tatort“ aus München: Menschen, die granteln, morden nicht. Oder doch?
Ein altes Ekel gerät unter Mordverdacht und flieht aus dem Polizeigewahrsam. Burghart Klaußner ist in der Rolle ein Ereignis.

Wer den Namen „Hackl“ hört und sich für Sport interessiert, der muss zunächst unwillkürlich an den legendären Schorsch Hackl denken – der bayerische Rennrodler nahm sechsmal an Olympischen Spielen teil und wurde dreimal Olympiasieger.
Ums Rodeln geht es im Münchener „Tatort: Hackl“ zwar nicht, dafür taucht tatsächlich ein Spitzensportler auf: Bayern-Kicker Joshua Kimmich spielt, zum Glück ohne viele Worte, einen Fitnesstrainer, dessen Videos der Jungermittler Kalli (Ferdinand Hofer) sogar am Schreibtisch im Büro nachturnt. Der titelstiftende „Hackl“ aber ist ein misanthropischer Senior (Burghart Klaußner), der sich mit der gesamten Nachbarschaft anlegt und auch gegenüber der Polizei aggressiv auftritt. Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) zeigt noch eine Narbe am Finger vor, in den ihn Hackl vor zwanzig Jahren mal gebissen hat. Als direkt unter Hackls Balkon ein verunglückter jugendlicher Motorradfahrer tot aufgefunden wird, der nachts ohne Helm mit heulendem Motor umhergerast war und von einem Laserpointer geblendet wurde, da gerät der extrem lärmempfindliche Hackl schnell unter Verdacht. Als dann auch noch Reste des Laserpointers in seiner Gartenlaube gefunden werden, wird er verhaftet – kann aber nach einer Geiselnahme fliehen.
Zwischen Plattenbau und Kleingartensiedlung
Wie Burghart Klaußner, der in Berlin geboren wurde, aber einige Jugendjahre in Bayern verbracht hat, diesen tief verletzten bayerischen Grantler spielt, ist ein Ereignis. Wer den Schauspieler im Kino eher als Autorität erlebt hat, etwa als Pfarrer in „Das weiße Band“ oder als Staatsanwalt Fritz Bauer im Kampf gegen Nazigrößen, dürfte überrascht werden. Sein Misanthrop, mit Anglerhütchen, Campinghemd und halblanger Wanderhose zum Spießer kostümiert, flüchtet humpelnd, und der Verletzte weckt dabei immer mehr Empathie. Denn in dem überempfindlichen Mann steckt doch eine empfindsame Seele.
Während Hackl in die Enge getrieben, regelrecht gejagt wird, setzen sich Leitmayr und Batic immer mehr mit seiner Nachbarschaft auseinander. So wirkt die Frau vom Nachbarbalkon (Carolin Conrad) komplett ohnmächtig und hilflos gegenüber ihrem computerspielsüchtigen Sohn (Lorenzo Germeno). Der verunglückte Motorradfahrer, ein erfolgsverwöhnter Filou, hatte wiederum viel Neid im Kiez hervorgerufen – sogar bei seinem jüngeren Bruder. Mit der Plattenbausiedlung Hasenbergl weitab vom Münchener Zentrum besetzt dieser starke „Tatort“ von Dagmar Gabler (Buch) und Katharina Bischof (Regie) einen ungewohnten Schauplatz, spielt mit den sozialen Spannungen und mit dem Kontrast zwischen den hohen Betonbauten und der nahen Kleingartensiedlung. Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec verkörpern in ihrem 92. gemeinsamen Fall diesmal ein Ermittlerpaar voller unterschwelliger Spannungen, die verbal gar nicht ausgebreitet werden müssen. Schon im vorigen Fall, als die beiden am zweiten Weihnachtsabend in einem Krimiratespiel hundert Jahre zurückgereist waren, hatten sich ja einige Differenzen aufgetan. Diesmal führt erst das wirklich bestürzende, ja schockierende Finale, bei dem sich tiefe Verzweiflung Bahn bricht, die beiden Kommissare wortlos wieder zusammen.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Tatort: Hackl. Sonntag, 12. März, 20.15 Uhr, ARD