Berlin-Was sagt man in der Rückschau über das Jahr 2020? Drücken wir es, um fiese Schimpfwörter zu vermeiden, mal so aus: Selten hatte man das Gefühl, dass alle nur darauf warten, dass dieses Jahr doch endlich zu Ende gehen möge. Auf 2021 lasten große Erwartungen: Die Fertigstellung eines Covid-19-Impfstoffs, die Eindämmung der Klimakatastrophe, das Ende der Ära Trump.
Auch für die Kunstwelt war 2020 eine Belastung: Pandemiebedingt fielen Ausstellungen, Messen und Biennalen ins Wasser, Kulturschaffende – besonders weniger etablierte – gerieten in Notlagen. Dennoch kamen im Schlagschatten der Krise aus der Kunst auch Impulse, die gesamtgesellschaftlichen Überlebenswillen und Solidarität stärkten.
Das Kunstmagazin „Monopol“ ehrt die 100 wichtigsten Protagonisten des Kulturbetriebs im Pandemiejahr jetzt in seinem jährlichen Ranking. Als „subjektive Momentaufnahme“ will die Redaktion ihre Top-100-Liste verstanden wissen. „Wer hat seine Institution besonders gut geführt? Wer hat prägende Werke geschaffen? Wer hat aktuelle Debatten angestoßen?“ Diese Fragen galten ihnen als Leitsatz der Auswahl. Dass unter den ersten 20 bekannte Berliner wie die technologiekritische Filmkünstlerin Hito Steyerl (Platz zwei), der Fotograf Wolfgang Tillmanns (Platz sechs), Starkurator Hans Ulrich Obrist (Platz elf) oder die – zumindest auf Instagram – vielleicht präsenteste Künstlerin des Jahres, Katharina Grosse (Platz 15), auftauchen, überrascht kaum.
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Eine kleine Sensation hingegen ist der erste Platz: Anstatt einer Person ehren die „Monopol“-Macher eine Bewegung. Sie ahnen es: Black Lives Matter. Also jene antirassistische Bewegung, die seit Jahren gegen Diskriminierung aufbegehrt, in diesem Jahr aber eine Dimension annahm, die in so gut wie alle gesellschaftliche Bereiche ausstrahlte, so auch in die Kunst. Sie warf Fragen auf nach der Repräsentation Schwarzer und People of Color in Ausstellungprogrammen. Nach dem historischen Selbstverständnis in Form kolonialer Denkmäler oder Straßennamen. Nach einem umfassenden, institutionellen Strukturwandel. Ein verdienter erster Platz, der seitens der Macher der Liste auch von Klugheit zeugt, was die Synergien zwischen Kunst und Politik angeht.
Eine weitere Überraschung ist Platz zehn: die öffentliche Hand. Das „Monopol“-Team dankt dort dem deutschen Staat für seine Unterstützung der Kulturszene. Die Redaktion erinnert etwa an die, international betrachtet, außergewöhnlichen staatlichen Corona-Hilfen für Kunst- und Kulturschaffende oder an die von Klaus Lederer geförderte „Studio Berlin“-Ausstellung.
Mein persönliches Highlight der „Monopol“-Liste: die Cyborg-Philosophin und Hunde-Liebhaberin Donna Haraway (Platz vier). Mit Themen wie „Queerness“ und „Künstliche Intelligenz“ beschäftigte sie sich schon früh mit Bereichen, die derzeit in der Kunst breit verhandelt werden.