Unterm Strich: Etikette an der Sprechanlage

Berlin - Haustürklingeln riss mich aus meinen Gedanken. „Hallo, könnt ihr mich mal reinlassen?“, schrillte eine aufgeregte, weibliche Stimme durch meine Sprechanlage zu mir. Ihr? Ich hängte den Hörer ein, sah mich um, lief ins Schlafzimmer und guckte nach, ob da jemand über das Gerüst, das seit mehreren Jahren vorm Fenster steht, eingestiegen war. Keiner da. Es klingelte wieder. „Hallo, hallo, könnt ihr mich mal reinlassen?“

Die Stimme kannte ich nicht. Worum es denn gehen würde, wollte ich wissen. „Ach bitte, ist hier noch eine Wohnung frei, ich suche dringend eine, bitte, bitte, kannst du mir mal die Telefonnummer von der Hausverwaltung geben?“ − „Hab ich nicht“, log ich, aber es gab hier sowieso keine freie Wohnung und wenn, dann hätte ich es nicht gesagt, hähä. Ob ich nicht mal nachgucken könne, vielleicht hätte ich die Telefonnummer ja doch, kam es durch die Sprechanlage. Nein. „Kannst du mal aufmachen, dann könnte ich mir die Nummer abschreiben, vielleicht hängt sie ja im Flur.“ − „Nein“, sagte ich, „da hängt sie nicht. Und hier ist keine Wohnung frei.“ − „Wirklich nicht?“ − „Nein.“ − „Wird denn auch keine frei? Vielleicht will ja jemand ausziehen, und vielleicht kannst du mich dann anrufen? Ich geb dir mal meine Handynummer.“ Die war ja schlimmer als Fruchtfliegen im Frühstück, durchzuckte es mich und hängte den Hörer wieder ein, ging zum Balkon und guckte hinunter. Da stand ein Mädchen, kritzelte mit einem Stift irgendwas auf einen Zettel und ging dann zum Nachbarhaus. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch. Und dachte.

Ständiges Duzen

Nach einiger Zeit klingelte es wieder. Eine männliche Stimme verlangte Einlass. „Warum?“, fragte ich knapp. „Ich suche eine Wohnung und möchte mir die Nummer der Hausverwaltung abschreiben, die hängt doch sicher im Flur.“ − „Nein. Und hier gibt es keine freien Wohnungen.“ Fast hätte ich noch das „Blöde Schlampe!“ gehört, als ich den Hörer auflegte, aber vielleicht hab ich mir das auch nur eingebildet. Warum wurde ich hier eigentlich ständig geduzt? Ich dachte an den Typen, den ich beim Einkaufen bei Penny mal mit wollen wir tauschen ansprach, ihm ein Eurostück vor die Nase hielt und auf seinen Einkaufswagen zeigte, den er gerade zurück in die Reihe schieben wollte. Wie aus der Pistole geschossen wies er ich mit: „Ham wa schon mal zusammen Schweine gehütet oder warum duzen Sie mich zurecht.“