Polizeiruf: Ein surrealer Sog aus verwirrenden Montagen
In seinem neuen "Polizeiruf 110" wendet sich der Regisseur Dominik Graf einmal mehr seinem Lieblingsthema zu: den Spannungen und Verwerfungen innerhalb der Polizeitruppe.
Berlin-Es muss etwas gehörig schief gelaufen sein – aber was? Jedenfalls eröffnet der Münchener „Polizeiruf“ mit der Befragung von Polizeioberkommissarin Elisabeth Eyckhoff (Verena Altenberger) durch ihre Vorgesetzten. Bald wird klar: Es geht um ihre Kollegen. „Bessy“ Eyckhoff gehörte zu einem Sextett, das eine IT-Firma wegen des Verdachts illegaler Börsengeschäfte überwachen sollte. Möglicherweise haben die unterbezahlten Polizisten versucht, mit ihrem Insidergewissen ihren eigenen Reibach zu machen.

Dominik Graf hat sich immer wieder gern dem Inneren der Polizeitruppe zugewandt – für ihn „eines des schönsten Sujets des Kinos“. Schon sein Auftaktfall für Bessys Vorgänger Meuffels kreiste um einen Kollegen. Autor war auch damals Günter Schütter, dessen neues Drehbuch Dominik Graf einen „Torpedo-Treibsatz“ nennt.
Tatsächlich inszeniert der mittlerweile 67-jährige Regisseur mit einem Furor und einem Tempo, das die meisten Jungfilmer alt aussehen lässt. Was in dieser auf den ersten Blick eher drögen Geschichte für Dramen, Leidenschaften und Abhängigkeiten stecken, das übersteigt das Maß gewöhnlicher Krimis bei weitem.

Die oft verwirrende Montage und die gefährlich flirrende Musik erzeugen einen Sog. Geradezu surreal wirken die immer wieder eingeblendeten Szenen einer Feier, mit der die kostümierten Polizisten sich in ein anderes Leben träumen. Drastisch und knapp wird der Umgang miteinander gezeichnet. Da pinkelt eine Kollegin schon mal ins Spülbecken einer Kneipe, wenn das Klo verschlossen ist.
Scharf sind die antikapitalistischen Spitzen von Bessy – es gehe der Polizei doch nicht um die Wahrheit, sondern nur um die Wahrung der Besitzverhältnisse. Verena Altenberger spielt bravourös eine junge Frau zwischen den Fronten, die wohl die größte Perspektive aller aktuellen „Polizeiruf“-Helden hat, weil sie in immer neue Konstellationen geworfen wird. Und wie sie hier einen Handstand unter der Dusche hinbekommt, das macht ihr wohl keine nach.