Wie Corona uns in unseren Träumen verfolgt
Angst und Ungewissheit verändern unseren Schlaf. Wir träumen von Abstand und Bildschirmen - und wachen oft gestresst auf.
Berlin-Kürzlich träumte ich, ich sei im Kino. Es lief „Parasite“, der jüngste Oscar-Gewinner. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich hier gar nicht sein durfte. Ich sah mich um: Niemand sonst in meiner Reihe. Ich wollte kein Aufsehen erregen, deshalb wagte ich es nicht, zu prüfen, ob anderswo noch Menschen saßen. In der Träumen eigenen Trägheit, mit der sich Gedanken formen, fragte ich mich tief in den Kinosessel gepresst, wie ich dorthin gekommen war, warum überhaupt ein Film lief, da das doch gar nicht sein durfte. Und wie ich abhauen könnte, ohne erwischt zu werden.

Es war ein Corona-Traum, eine Mischung zwischen Alb- und Wunschtraum, denn ich würde ja nichts lieber tun, als mich an einen dieser Orte zu begeben, an denen man eingehüllt in Dunkelheit zusammen mit anderen allein ist. Ich habe auch schon von meinem Friseur geträumt, der draußen Boxen einrichtete und dort Haare schnitt. Oder von meiner Mutter in einem Club.
Das Leben in der Corona-Zeit dringt in unsere Träume ein, macht sie lebendiger, sagen Psychologen. Und wie sollte es auch anders sein, bei all der Anspannung, die der neue Alltag verursacht, den Ängsten, Regeln, dem abendlichen Binge-Watching, vermehrtem Alkoholkonsum, der Einsamkeit, dem vielen Essen, dem Bewegungsmangel und unheimlich wirkenden Maskenträgern, die uns nun auf den Straßen entgegenkommen?
Bei Twitter gibt es neue Hashtags: #coronaträume, #coronadreams oder #pandemicdreams heißen sie. Eine Gruppe von Psychoanalyse-Studenten vom University College London sammelt diese Träume unter #lockdownDreams. Freud habe Träume den „Königsweg zum Unbewussten“ genannt, schreiben sie.
Eine neue Form des Erzählens
Eine berichtet, dass sie selbst in ihren Träumen Menschen nur noch auf dem Bildschirm trifft, eine andere vom Schwimmen in einem viel zu kleinen Stausee mit viel zu vielen Menschen, aus dem das Wasser abgelassen wurde, weil alle keinen Abstand hielten.
Manche Einträge lassen einen erahnen, dass es sich hierbei um eine neue Form des Erzählens handeln könnte. Oder hat Virginia Eubanks wirklich geträumt, dass sie bei Einstein einen Kurs über das Konzept des Selbst belegt hat, dann aber beschloss, zu schwänzen, um mit ihrer Freundin Julie einen Ausflug zu machen? Sie sei zwar Einsteins Assistentin, doch wolle der eh nur die ganze Zeit über seine Angststörung mit ihr sprechen.