Wie Toro Y Moi den inneren Paul McCartney herauslässt
Als Vertreter der Chillwave befriedigte Toro Y Moi nicht zuletzt die Sehnsucht nach verlorener Lust. Jetzt will er seine neue Musik zu den Leuten bringen.

Auch so ließ sich die pandemische Isolation bewältigen: einfach trotzdem zusammen sein. Chaz Bear ist eigentlich der klassische Schlafzimmerproduzent, der seine Musik als Toro Y Moi nerdig alleine bastelt. Aber für sein neues, siebtes Album seit 2010 hat er sich so viele Leute in sein Studio im kalifornischen Berkeley geholt wie nie zuvor. Covid habe viele Musiker aus der Bay Area oder gar ganz aus der Musik vertrieben, sagt er im Gespräch, aber vor allem habe er die Energie des gemeinsamen Spiels vermisst: „Die entsteht aber auch mit Maske und ständig offener Studiotür.“
Die Sehnsucht nach verlorener Lust und verhindertem Begehren prägt auch das Genre, das Toro Y Moi seit Ende der Nullerjahre mit anschob. Die sogenannte Chillwave sowie und ihre Subgenres erinnerten an vergangene Zeiten und Sounds. Nicht, um diese wiederzubeleben, sondern um den Charakter der Erinnerung selbst zu betonen, durch Schleier und Nebel, als steige sie aus verschütteten Schichten des Bewusstseins hoch.
Bear, 1986 als Sohn afroamerikanisch-philippinischer Eltern als Chazwick Brundick geboren, unterschied sich durch eher vordergründige Musikalität und Genreaneignungen gezielt von Achtzigerpop, Neunziger-R&B oder House. Mit „Mahal“ knüpft er nun an einen ersten Versuch mit psychedelischem (Sixties-)Rock von 2015 an. Ganz ausdrücklich habe er bei der Produktion auch an die Generation seiner Eltern und Großeltern gedacht, die schließlich nicht zum ersten Mal mit einer Krise konfrontiert seien.
Zeitgenössische Beats, digital verzogen
Naturgemäß bedient er deren Klangwelt nicht nachahmend, sondern als Handreichung. So dicht die Verweisebenen gesetzt sind – von brausenden Fuzz-Gitarren zu verwunschenem Psychopop und sogar Spiritual-Jazz-Arrangements –, so deutlich spielen sie in der Gegenwart. Er habe zwar vom Bass her gedacht und „den inneren McCartney rausgelassen“, sagt er. Aber die Bandsounds fließen elektronisch gefiltert und verwischt ineinander, mit zeitgenössischen Beats und digital verzogen, atmosphärisch statt auf melodische Tiefe hin ausgelegt. Und die Texte betrauern selbst durch das Magazindesign des Covers den Verlust analoger Medien und Post, beklagen aber zugleich, dass die Ostküste im digitalen Trendschnüffeln vorne liege, weil sie eben doch noch ein paar Stunden Vorsprung hat.
Dabei ist Bear künstlerisch auch mit seinem Label, als DJ und mit seiner Liveband lokal derart aktiv, dass ihm die Stadt Berkeley 2017 eigens einen Tag – den 27.6. – gewidmet hat. Dass er dies als Verpflichtung versteht, zeigt der zum Bus umgerüstete philippinische Jeep auf dem „Mahal“-Cover: In Zeiten beschränkter Zwischenmenschlichkeit will er, so Bear, die Musik „wörtlich und übertragen zu den Leuten bringen.“
Toro Y Moi – Mahal (Dead Oceans/Cargo)