Berlin-Es sind Dreiecksgeschichten. Und sie sind kompliziert. Weil Dreiecksgeschichten das nun einmal ohnehin sind. Aber auch, weil der mexikanische Filmemacher Carlos Reygadas, der sie in seinen Filmen „Stellet Licht“ (2007) und „Nuestro Tiempo“ (2018) erzählt, ihnen alles Melodramatische erspart. Anstatt sein Thema in große Szenen, hysterische Ausbrüche, gewaltsame Akte zu kleiden, packt er es an der Wurzel. Da, wo das nackte Gefühl sitzt, da, wo im Zweifelsfalle der getroffene Nerv aufjault und Schmerzkonvulsionen durch den Körper schickt.

Dreiecksgeschichten, so der Mainstream-Konsens, untergraben Identitäten, zerstören Vertrauen, bringen Familien in Gefahr und erschüttern Gemeinschaften. Ihre emotionale Textur kennt negative Zustände aller Art: Eifersucht, Neid, Wut und Zorn und Hass, Verzweiflung und Trauer. Die Liebe, die doch am Grund der ganzen komplizierten Beziehungsgemengelage und -verwirrnis liegt, hat es da schwer, sich überhaupt bemerkbar zu machen. Also widmet Reygadas genau ihr seine ganze Aufmerksamkeit; er zeigt, wie einfache Menschen ihrer Liebe erliegen und in welche Schwierigkeiten dieses Erliegen sie und die ihren bringt.
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In „Stellet Licht“ verliebt sich der Bauer Johan in Marianne, obwohl er doch mit seiner Angetrauten, Esther, sechs Kinder hat. In der mennonitischen Gemeinde in Chihuahua, in der die Beteiligten leben, wirft die unbotmäßige Liebe die Frage auf, ob es der Versucher ist, der sie Johan ins Herz gesetzt hat, ob eine Prüfung, die ihm Gott auferlegte, oder gar dessen unergründlicher Wille. Kein traditionelles Monogamie-Diktat erleichtert die Orientierung, wenn Liebe als Gottes Geschenk begriffen wird.
Ebenso wenig wie die willkürliche normative Setzung von Ausschließlichkeit weiterhilft, wenn Mann und Frau die Freiheit des jeweils anderen möglichst umfassend respektieren wollen. Wie im Falle des Rinderfarmers Juan in „Nuestro Tiempo“, der die Zuneigung seiner Frau Esther zu einem US-amerikanischen Gastarbeiter-Cowboy ermuntert, nur um sich alsbald unvermutet mit seiner Eifersucht und Existenzangst konfrontiert zu sehen.
Dass Reygadas und seine Frau Natalia López hier in den Hauptrollen agieren, zeugt sowohl von ihrer Risikobereitschaft wie von der Aufrichtigkeit des Erkenntnisinteresses. Reygadas lässt Männer sich überschätzen und Frauen über sich hinauswachsen – oder war es umgekehrt? – und setzt dieses Geschehen als episches in Szene; mit einem verblüffend beiläufigen Gestus, der im immer nur scheinbar Banalen das latente Erhabene sichtbar macht. Die spektakuläre Landschaft Mexikos bildet dazu den opulenten Rahmen, in dem Wunder möglich sind.
Stellet Licht und Nuestro Tiempo absolut medien, ca. 9 bzw. ca. 13 Euro