ZDF-Film "Die Pilgerin": Schmutzige Füße und Berlin-Mitte-Frisuren
Füße sind außerordentliche Extremitäten. Im Naturzustand oft unansehnlich, werden sie pedi-kürt, bemalt und gemeinhin in Kleidungsstücke verpackt, deren Beschaffung besonders bei Frauen zuweilen obsessive Züge annimmt. Da überrascht es umso mehr, wenn sich Füße mal präsentieren wie an Josefine Preuß. Unbekleidet sind sie und schmutzig, nein: verwahrlost, die Sohlen schwarz, die Nägel rissig. Doch auch der Rest dieser sonst so porentief reinen Protagonistin des deutschen Familienfernsehens widerspricht ihrem Ruf: die Finger dreckig, der Rock zerschlissen, das Haar strohig, vor allem aber: raspelkurz. Gestutzt die rote Mähne aus „Türkisch für Anfänger“, gekappt die Brennzangenwelle vom „Adlon“. Alles für den Job, beteuert Josefine Preuß und zieht – auch das noch! – an ihrer Kippe. „Alles für meine Rolle.“ Alles für „Die Pilgerin“.
Für das Historiendrama mit starker Frau hat Preuß in den Prager Barrandov-Studios kurz einmal ihr Image gewandelt. Irgendwie wandelt sie es allerdings auch gegen etwas, das der Pilgerin näher ist, als Josefine Preuß lieb ist: die Wanderhure. Wie eine peinliche Tante hockt der Dreiteiler in den riesigen Hallen der tschechischen Produktionsstätte und nervt die Verwandtschaft.
Unerwünschter Vergleich mit der "Wanderhure"
„Wanderhure?“, fragt Benjamin Benedikt, der Produzent der „Pilgerin“, und klingt pikiert. „Die hat mit uns das Zeitalter gemein. Sonst nichts.“ – „Wanderhure?“ Auch sein Filmbösewicht Volker Bruch scheint der Vergleich lästig: „Ich hätte das Buch ja abgelehnt, wäre Philipp Kadelbach nicht so überzeugend gewesen.“ – „Wanderhure?“, wiederholt der renommierte Regisseur Kadelbach im Vorbeigehen, „ach Blödsinn“, und verschwindet hastig ins Freie. Dorthin, wo Kadelbachs Hauptdarstellerin nicht minder unglücklich über Analogien dieser Art ist. „Wanderhure?“, sagt Josefine Preuß: „Na toll…“
Schon seltsam: Da surft fiktional verfilmtes Mittelalter auf einer Welle des Erfolgs. Da erntet noch die billigste Geschichtsprosa am Bildschirm Topquoten. Da knackt der Bestseller des schreibenden Ehepaars Iny Lorentz die Zehn-Millionen-Marke. Trotzdem will sich niemand mit ihrer Wanderhure gemein machen – nicht mal das Team, das mit der „Pilgerin“ gerade ein weiteres Buch des Paars verfilmt. Doch was da in jener Prager Traumfabrik enstanden ist, die einst Serienlegenden wie Pan Tau hervorgebracht hat und zuletzt das Renaissance-Epos Borgia – am Ende trägt es auch sämtliche Züge der Iny-Lorentz’-schen Kolportageliteratur.
Das kann man gut am Ergebnis studieren, wo selbst David Slamas versierte Kameraführung nicht über die konstruierte Story hinwegtäuscht. Wenn die toughe Tilla (Preuß) gegen den Widerstand ihres fiesen Bruders (Bruch) das sündige Herz des gemeinsamen Vaters in Santiago de Compostela begraben soll, ist das so realistisch ist wie ein Hobbit im Tatort.
Berechenbare Handlung
Viel schlimmer als der Zweiteiler selbst jedoch ist, dass man seine Berechenbarkeit bereits beim Zustandekommen erahnen kann. Da erinnert es an besseres Schülertheater, wenn ein famoser Schauspieler wie Volker Bruch im Dunst der Nebelmaschine den irre gewordenen Vatermörder mimt. Da muss Josefine Preuß bei tropischen Temperaturen zwei Stunden lang dasselbe Entsetzen über den Tod ihres Vaters zum Ausdruck bringen, und doch klingt die Szene eher nach Daily Soap als Fernseh-Event. Da kann selbst das detailverliebte Szenenbild von Kadelbachs Szenenbildner Thomas Stammer, dessen Requisiten bereits das dramaturgische Fiasko der Hindenburg bei RTL erträglich machte, nicht über den inhaltlichen Müll hinwegtäuschen, der darin entsteht.
Keine Frage: Jedes Kissen, jede Kerze, jeden noch so belanglosen Alltagsgegenstand bis ins kleinste Detail auf Mittelalter zu trimmen mag dem Schauwert dienen; solange die Helden dabei Frisuren tragen wie in Berlin-Mitte 2013 und auch noch genauso reden, bleibt die tollste Ausstattung bloß Firlefanz.