Zum Tod von Andy Gill, Gitarrist der Post-Punk-Pioniere Gang of Four
Andy Gill, Gründungsmitglied der britischen Band, war auch Produzent der Red Hot Chilli Peppers. Und Kurt Cobain hatte sich in seinen Tagebüchern als Fan von Gills grimmig-entschlossenem Spiel geoutet.
London-Noch vom Krankenhausbett aus habe Andy Gill, kreativer Kopf der britischen Gruppe Gang of Four, Mixe fürs neue Album durchgehört und die nächste Tour geplant, schrieb die Band, als sie am Sonnabend Gills Tod nach kurzer Krankheit im Alter von 64 Jahren ankündigten. Genau diese widerborstige Fokussiertheit hört man in der Musik, die Gill mit seiner Band machte: seine abgehackten Gitarrenakkorde komprimierten die Figuren von Dr Feelgoods Wilco Johnson zu etwas noch Pointierterem, Schärferem, und seine Rückkoppelungsschichten umrahmten Sänger Jon Kings Frankfurter-Schule-trifft-Punk-Fanzine-Slogans mit glasklarem Druck.

Funk und Dub verbanden Gang of Four mit der Wut des Punkrock
Gill und King gründeten die Band 1976, als sie Kunststudenten in Leeds waren, auf der Höhe der Punk-Welle erkannten sie dessen Potenzial zur Weiterentwicklung in Richtung einer differenziert artikulierten, politischen Pop-Musik: Indem sie Funk- und Dub-Elemente mit der nihilistischen Wut des Punkrock verbanden, wurden sie maßgebliche Exponenten dessen, was bis heute als Post-Punk bekannt ist – eine von der Mach-es-selbst-Punk-Attitüde mehr als vom Punkrock-Sound inspirierte Musik, die folgerichtig keine spezifische Musikrichtung darstellt, sondern mehr eine Art Einladung an Musiker aller Richtungen, die keine Lust haben, sich den Vermarktungssystemen von Entertainment-Großkonzernen zu unterwerfen.
Was im Fall von Gang of Four dazu führte, dass ihr erstes Album den semi-ironischen Titel "Entertainment!” trug und 1979 beim Großkonzern EMI erschien! Wo andere aus Angst vor dem eigenen Ausverkauf zurückgeschreckt wären, gelang es Gang of Four, das System von innen für sich zu appropriieren – jedenfalls produzierte Gill das Album selbst – und es klingt auch heute noch so kompromisslos wie damals: das als Anti-Liebeslied getarnte Konsumkritikstück “Damaged Goods” ebenso wie etwa “Anthrax”, in dem man recht leicht die Wurzeln prägender US-amerikanischer Undergroundgruppen der Neunziger wie Fugazi oder Slint identifizieren kann.
Gerade auf die US-Szene hatten Gang of Four – benannt nach der mächtigen Viererbande in Mao Tse Tungs Führungselite – besonderen Einfluss, nicht zuletzt dank Gills schneidendem Gitarrensound. So kreierte Gill in späteren Jahren als Produzent Alben der Red Hot Chilli Peppers oder von The Jesus Lizard mit, und Kurt Cobain outete sich in seinen Tagebüchern als Fan. Durch die Jahrzehnte gingen und kamen Gang of Four bzw. alte und neue Mitglieder, einzig Gill blieb immer da, mit unverändert grimmiger Entschlossenheit ließ er seine Fender-Gitarre klirren, während hunderte Epigonen ihm durch die Jahrzehnte nachklirrten. Legen Sie heute noch einmal “Entertainment!” auf den Plattenteller und schauen Sie aus dem Fenster oder ins Internet: Es gibt noch immer verdammt viel, worüber man pissed sein kann.