Zum Tod von Dario Fo: Lachen über die Macht und die Mächtigen
Bei aller Trauer über die Nachricht vom Tod des Theatermachers Dario Fo nimmt man doch die Tatsache, dass der Ministerpräsident Italiens, Matteo Renzi der Familie offiziell sein Beileid ausgesprochen hat und Fo als eine „großen Hauptfiguren des Theaters, der Kultur, des bürgerlichen Lebens unseres Landes“ würdigt, mit einem Gefühl der Befriedigung auf. In den 1960er Jahren ging von Fo nach Meinung der Behörden noch so viel Gefahr aus, dass er im Staatsfernsehen mit einem Auftrittsverbot belegt werden musste.
Um klare Worte war Dario Fo nie verlegen. Und so sagte er in seiner Dankesrede, als er 1997 ziemlich überraschend den Nobelpreis für Literatur erhielt, dass er nicht zum Theater gegangen sei, um den Hamlet zu spielen, sondern um den Clown, den Hanswurst zu geben. Durch diese Haltung, zu der er sich schon in seinen Anfängen entschlossen hatte, wurde er in Italien keineswegs zum theatralisch-komischen Leichtgewicht, im Gegenteil: Viele Jahre war er in dem Land, in dem einst die Commedia dell’arte erfunden wurde, einer der wichtigsten und einflussreichsten Theatermacher. Er wurde vom einfachen Volk wie von den gehobenen Schichten zumindest wahrgenommen, meistens indes geliebt, oft gefürchtet. Die politische Kaste freilich, mit der er sich prinzipiell und herzlich gern anlegte, beobachtete ihn mit durchaus begründetem Argwohn – und mit unangenehmen Folgen. Einmal wurde Fo wegen Unbotmäßigkeit verhaftet, 47 Mal in Gerichtsprozesse verstrickt, Dutzende Male festgenommen, sogar auf offener Bühne. Er bekam Auftrittsverbot im Fernsehen. 1980 und 1983 verweigerten ihm die USA die Einreise. Für einen Schauspieler, Regisseur, Autor und Theaterleiter, der gern lachte und andere ebenso gern zum Lachen brachte, war das eine ziemlich ernsthafte Bilanz.
Theater im Alltag
Dario Fo, geboren 1926 in Sangiano am Lago Maggiore, wusste aber, dass genau dieses offene, respektlose, ungenierte Lachen eine überaus wirksame Waffe gegen die Macht und die Mächtigen, gegen Repression und Ausbeutung sein kann. Zunächst studierte er Architektur in Mailand, verfasste jedoch bald satirische und kabarettistische Texte für den Rundfunk, ehe er sich 1952 ganz dem Film und dem Theater zuwandte. Eine Zeitlang verfolgte er dabei das Konzept des „unsichtbaren Theaters“, bei dem Stücke an alltäglichen Orten, wie im Supermarkt oder an der Bushaltestelle, aufgeführt wurden, ohne dass die Passanten wussten, was eigentlich los war. Wenn die Menschen nicht ins Theater gehen, muss das Theater eben zu ihnen und in ihre Realität kommen, meinte Fo, und wenn sie sonst nichts zu lachen haben, dann wenigstens da.
Zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Franca Rame (1929 – 2013), gründete er 1959 eine eigene Gruppe und begann, so volkstümliche wie sozialkritische Farcen zu schreiben, zu inszenieren, zu spielen. Dario Fos Weg wies mit den Jahren immer weiter nach links, weshalb er sich 1968 vom Publikum des „aufgeklärten Bürgertums“ abwandte und von einem – wie er es nannte − „Hofnarren der Bourgeoisie“ zu einem „fahrenden Sänger des Volkes“ zu entwickeln entschied. Er gründete die Theatergruppe „La Nuova Scena“, die der Kommunistischen Partei Italiens nahestand. Mit ihr gastierte er bis 1970 an eher kunstfernen Orten wie in den Vorstädten, in Fabriken und Gefängnissen.
Aufruf zum Widerstand gegen den Staat
Wahrscheinlich war Dario Fo es, der die Berufskategorie „Polit-Clown“ erfand und aufs Beste und Witzigste mit künstlerisch ideologischem Leben zu erfüllen vermochte. 2006 kandidierte er innerhalb eines Mitte-Links-Bündnisses zur Bürgermeisterwahl in Mailand. Er verlor bei den Vorwahlen, erzielte mit 23,4 % der Stimmen allerdings einen Achtungserfolg. Zuletzt schloss er sich als prominentes und einflussreiches Mitglied Beppe Grillos „MoVimento 5 Stelle“ an.
Dario Fo schrieb rund siebzig Stücke und Szenenfolgen, inszenierte auch außerhalb Italiens (wie in der Comédie Française) und gern Opern von Gioacchino Rossini, etwa in Amsterdam und Pesaro. Zu seinen bekanntesten Werken, die in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurden, zählen das fast schon klassisch zu nennende Agitationsstück „Mistero buffo“ (1969), in dem er alle Rollen selbst zu spielen pflegte, „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ (1970), „Mama hat den besten Shit“ (1976) und, zusammen mit Franca Rame, „Kinder, Küche, Kirche“ (1977) und „Offene Zweierbeziehung“ (1983). Nach der Uraufführung seiner grandiosen Farce „Bezahlt wird nicht!“ (1974) wurde ihm wegen des darin gezeigten zivilen Ungehorsams und der „proletarischen Einkaufsmethoden“ der Aufruf zum Widerstand gegen den Staat vorgeworfen, doch vor Gericht gab es einen Freispruch.
Das Nobelpreiskomitee ehrte Dario Fo 1997 „für sein volkstümlich-politisches Agitationstheater“ und bezeichnete ihn als einen Autor, „der in der Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wieder aufrichtet“. Besonders liebe er, wie er einmal sagte, einen Satz, den man vor Jahren auf vielen Mauern lesen konnte: „Unser Gelächter wird euch begraben.“ Am Donnerstag ist dieser anarchische Erzengel der subversiven Komik im Alter von 90 Jahren in in einem Mailänder Krankenhaus an eine Lungenerkrankung gestorben.