„Zwei Reiter am Strand“: Liebermann-Gemälde aus Gurlitt-Sammlung kehrt zum Besitzer zurück

NEW YORK - Das Bild hängt gleich neben dem Eingang von David Torens Wohnzimmer, einem großzügigen, lichtdurchfluteten Raum im 23. Stock, hoch über dem Central Park. Wie auf dem Original sitzen die beiden Reiter auf braunen Pferden, die Wellen erreichen ihre Hufe, der eine Mann, leicht zurückgelehnt, scheint dem anderen etwas zu sagen. Verwechseln könnte man diese Kopie von Max Liebermanns „Zwei Reiter am Strand“ nicht mit dem echten Bild. Die Farben sind reduzierter, einfacher. Doch auf die kommt es auch nicht an. Die zwei Männer und die Pferde heben sich als leichtes Relief vom Untergrund ab. Es ist kein Bild zum Anschauen. Sondern eins zum Anfassen.

Manchmal lässt sich David Toren, 90, von seiner Pflegerin zu dem Bild führen, das ein Künstler für ihn gemacht hat, und fährt mit den Fingern sanft darüber. Doch der Trick mag nicht so recht gelingen, das Original, das er vor 77 Jahren zum letzten Mal gesehen hat, will einfach nicht mehr vor seinem geistigen Auge entstehen. „Ich sehe nur noch Farbfelder“, sagt er.

Die Bürokratie aufrütteln

Bald wird er das Gemälde, das im Haus seines Großonkels in Breslau hing, in Händen halten. Doch er wird es nicht mehr sehen können. Eine Krankheit lässt David Toren seit ein paar Jahren zunehmend erblinden, er kann nur noch Schemen erkennen. Trotzdem, sagt der alte Mann, sei es eine Genugtuung, dass demnächst ein Bote vor der Tür stehen und ihm das Bild im Auftrag der Bundesregierung übergeben wird. Er hat hart darum gekämpft. Es ist das erste Gemälde aus dem Bestand von Cornelius Gurlitt, das an seinen rechtmäßigen Besitzer restituiert wird. „Eine Wiedergutmachung ist es nicht, die kann es nie geben“, sagt er. „Aber eine kleine Befriedigung.“

Sein Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen hat sich trotz des guten Endes jedoch nicht gerade verbessert. „Die Borniertheit, die Bürokratie – da ist alles wieder zum Vorschein gekommen, was ich an Deutschland hasse“, sagt David Toren in jenem klaren Hochdeutsch, das er in seinem Elternhaus gesprochen hat. „Ich mag die Deutschen nicht“, fügt er an, ungeachtet der Tatsache, dass ihm einer gegenübersitzt. „Ich glaube, viele von denen sind noch immer Nazis.“

David Toren hatte viele Jahrzehnte lang nicht an das Bild gedacht. Doch er kann sich daran erinnern. „Es hing neben dem Wintergarten von Onkel David“, sagt er, „in einem Raum ohne Tageslicht. Es war immer mein Lieblingsbild.“ David Friedmann, ein Gutsherr aus Breslau, hatte viele Bilder in seiner Villa. Er war ein leidenschaftlicher Sammler, besaß Werke von Courbet, Pissarro, Rousseau. Doch das impressionistische Ölbild, das Max Liebermann 1901 gemalt hat, gefiel Klaus-Günther Tarnowski, so hieß er damals, besonders gut. „Ich liebte die stolzen Pferde, ich lernte selbst auch reiten.“

Rückgabe entwickelt sich zur Geduldsprobe

Als er im November 2013 erfuhr, dass das verschollene Bild wieder da war, war er glücklich. Ein befreundeter Rechtsanwalt in Deutschland, der die „Zwei Reiter am Strand“ vor Jahren in David Torens Namen in das internationale Lost-Art-Verzeichnis eingetragen hatte, hatte die Pressekonferenz gesehen, bei der die Staatsanwaltschaft Augsburg die Öffentlichkeit über die Sammlung Gurlitt informierte. Unter den über tausend Gemälden, Zeichnungen, Drucken, die 2012 in der Münchner Wohnung des damals 79-jährigen Cornelius Gurlitt – Sohn eines Kunsthändlers, der in der NS-Zeit viele Bilder an sich gebracht hatte – gefunden worden waren, war auch Torens Liebermann.

Nun würde die Rückgabe des Bildes nur noch eine Formalie sein, glaubte Toren, der bis auf ein paar Anziehsachen und einem silbernen Löffel nichts aus Breslau mitnahm, als seine Eltern ihn 1939 in einen Zug nach Schweden setzten. Er irrte sich. „Sie glauben gar nicht, was die alles von uns wollten“, sagt er. „Und alles in doppelter Ausfertigung.“

Toren riss schon nach fünf Monaten, im April 2014, der Geduldsfaden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die neu gegründete Taskforce, die klären sollte, bei welchen Bildern es sich um Raubkunst handelte, sich weder getroffen noch sich auf ein Verfahren geeinigt. Für den früheren Anwalt Toren, der einen anderen Takt gewohnt war, ein Skandal. „Ich war 89 Jahre alt. Ich hatte keine Zeit. Also habe ich mich entschlossen, ihnen Feuer unter dem Hintern zu machen.“