Kundgebung auf dem Grazer Platz: Demo gegen Antisemitismus in Berlin

Berlin - Dies ist kein Ort für Antisemitismus und Rassismus. Um das zu zeigen, haben sich an diesem warmen Spätsommersonntag rund 1000 Menschen zum Grazer Platz in Schöneberg-Süd aufgemacht. Unter hohen Bäumen protestieren sie am Mittag auf dem Platz hinter der evangelischen Philippus-Nathanael-Kirche gegen Intoleranz und zeigen ihre Solidarität mit dem Rabbiner Daniel Alter, der am Dienstagabend gleich um die Ecke niedergeschlagen wurde.

Alter erlitt einen Jochbeinbruch, kam ins Krankenhaus und musste notoperiert werden. Die Täter, vier Jugendliche vermutlich arabisch- oder türkisch stämmige Jugendliche, sind noch nicht gefasst.

Alters Auftritt ist der emotionale Höhepunkt. Er bedankt sich für die wundervolle Welle an moralischer Unterstützung für sich und seine Familie. „Ich habe das Jochbein gebrochen bekommen, aber meinen Willen mich für den interreligiösen Dialog einzusetzen, haben diese Typen nicht gebrochen“, sagt er. Ihm helfe sein Beruf, die Tat zu verarbeiten. „Auch wenn das noch ein wenig dauern wird.“ Man sieht, dass seine Hände zittern, wenn man dicht vor ihm steht.

Arbeits- und Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD) ruft zu Wachsamkeit und Engagement auf. „Wo Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geschehen, müssen wir dagegenhalten“, sagt sie. Einige Zuhörer halten Transparente mit Aufschriften wie „Hauen ist doof“ hoch, sie applaudieren begeistert.

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Teilnehmer der Kundgebung berichten am Rande von alltäglichen rassistischen Erfahrungen im Kiez, der gespalten ist zwischen gesetzter Bürgerlichkeit und armen Zuwanderern. Ein Stadtteil wie viele in der Stadt. Tanka Fonta aus Kamerun erzählt von einer Begegnung vor wenigen Tagen bei Aldi am nahen Dürerplatz. „,Ich will nicht hinter einem Nigger stehen’, sagte eine Frau an der Kasse. Was soll man da entgegnen?“, fragt Fonta, „ich war sprachlos.“

Fonta ist vor vier Jahren von Süddeutschland nach Berlin gezogen, weil er sich in Bayern physisch bedroht fühlte, wenn er durch die Straßen ging. „Diese aufgeblasenen, jungen türkischen Männer, das sind Gockel“, sagt er, „es ist ein Mangel an Bildung, der zu so einem Verhalten führt.“

„Es ist feige, zu viert auf einen Menschen einzuschlagen. Es wäre mutig, sich zu stellen und um Entschuldigung zu bitten.“ Diese Worte stehen auf dem Zettel, die eine Anwohnerin vor der Brust hält. Sie hat zehn solcher Zettel an Bäume rund um die Beckerstraße geklebt, wo der Rabbiner überfallen wurde. Am Sonntagmorgen waren alle Zettel abgerissen.