Kurden-Stadt Kobane in Syrien: Türkische Luftwaffe bombardiert PKK

Istanbul - Westliche Politiker drängen die Türkei, den kurdischen Verteidigern der belagerten syrischen Stadt Kobane gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu helfen. Am Dienstag hat das türkische Militär militärisch eingegriffen – allerdings anders als erwartet. Erstmals seit dem Abschluss eines Waffenstillstands mit der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) vor anderthalb Jahren bombardierten türkische Kampfjets am Montag und Dienstag Stellungen der PKK in der türkischen Provinz Hakkari. Es wurde ein „umfassender Luftangriff“ durchgeführt, schrieb die Zeitung Hürriyet.

Der Generalstab der türkischen Armee bestätigte die Luftangriffe und teilte mit, „Terroristen“ hätten unter anderem in Hakkari Sicherheitskräfte angegriffen. Mit diesen Angriffen ist der seit März 2013 anhaltende Waffenstillstand zwischen Regierung und PKK, die auch von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, wohl am Ende.

Kurz vor Ablauf des Ultimatums

Die PKK warf der Regierung in Ankara eine Verletzung der Waffenruhe vor, kurdische Politiker aus der Türkei gaben zunächst keine Stellungnahme zu den Luftangriffen ab – die geradezu als Aufkündigung des seit zwei Jahren laufenden Friedensprozesses mit der PKK interpretiert werden können. So fanden die Angriffe kurz vor Ablauf eines Ultimatums statt, das der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan der Regierung gestellt hatte. Darin fordert Öcalan, dass bis zum Mittwoch konkrete Schritte eingeleitet sein müssten, um den Aussöhnungsprozess zu retten. Andernfalls würden die seit anderthalb Jahren eingestellten Gefechte zwischen den kurdischen Rebellen und der türkischen Armee erneut beginnen.

Bisher hat Ankara der kurdischen Minderheit zwar einzelne Erleichterungen wie muttersprachliche Radiosender zugestanden. Aber substanzielle politische Zugeständnisse hat sie nicht gemacht.

Das Ganze spielt sich vor dem Hintergrund des Kampfes kurdischer Einheiten mit der IS-Dschihadistenmiliz um Kobane ab. Weil das türkische Militär die eingeschlossene Kurdenstadt von jedem Nachschub abschottet, war es in den vergangenen Tagen in vielen Städten der Türkei zu Unruhen gekommen. Die Demonstranten hatten die Passivität der türkischen Regierung kritisiert, bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei starben mindestens 41 Menschen.

Staatspräsident Erdogan heizte die Spannungen noch weiter an, indem er die PKK als Terrororganisation bezeichnete und mit der IS-Miliz gleichsetzte. Die türkische Regierung betrachtet die Verteidiger von Kobane als Teil der PKK, da sie eng mit den in Kobane kämpfenden kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in Syrien verbunden sind. Twitter-Nutzer warfen der Regierung in Ankara vor, sich mit der Bombardierung offen auf die Seite der IS-Extremisten zu stellen.

Angriffe als Reaktion

Nach Angaben türkischer Medien griffen Kampfflugzeuge von den Militärflughäfen Diyarbakir und Malatya aus Ziele bei der Ortschaft Daglica im äußersten Südosten der Türkei an. Der türkische Generalstab teilte mit, die Luftangriffe seien eine Reaktion darauf, dass PKK-Kämpfer in vergangenen Tagen dort mehrfach eine Station der Gendarmerie beschossen hätten. Der militärische Arm der PKK erklärte in einer Pressemitteilung, die Luftangriffe hätten bereits am Sonnabend begonnen, nachdem es dort zu Gefechten gekommen sei, in deren Verlauf zwei türkische Soldaten getötet worden seien.

Tatsächlich hatte es in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Gefechte des Militärs mit PKK-Anhängern gegeben, die aber von der Regierung heruntergespielt und von den Medien kaum erwähnt wurden. Das ist diesmal anders. Seit die Türkei international unter Druck steht, den belagerten Kurden Kobanes durch die Öffnung eines Korridors zu helfen, haben Ankara und das Militär den Ton gegenüber der PKK deutlich verschärft.

In Kobane wird unterdessen weiter erbittert gekämpft. In der Nacht zum Dienstag war es der IS-Miliz nach Angaben von Aktivisten gelungen, erstmals ins Zentrum der nordsyrischen Kurden-Stadt vorzurücken. Die Dschihadisten hätten das Kulturzentrum erobert und sich in der Stadtmitte festgesetzt. Stunden später hieß es dann, kurdische Kämpfer hätten dank der Luftschläge der internationalen Koalition einen strategisch wichtigen Hügel sieben Kilometer von der Stadt entfernt von den Dschihadisten zurückerobern können. In der zentralirakischen Stadt Hit allerdings sind nach UN-Angaben in den letzten Tagen rund 180 000 Menschen vor den IS-Kämpfern geflohen. (mit Reuters, epd)