Lärm mindert nachweislich die Leistungsfähigkeit und macht auf Dauer krank. Betroffen sind nicht nur Menschen, sondern auch viele Tiere: Unerwünschter Schall
Straßenlärm, Baulärm, Fluglärm -unsere moderne Welt wird immer lauter. Die Folge ist besorgniserregend: Schwerhörigkeit ist hierzulande die häufigste Berufskrankheit, sie trifft jedes Jahr rund 5500 Menschen.Ob in der Freizeit oder am Arbeitsplatz, oft erreicht der Schallpegel gesundheitsschädigende Lautstärken. Zahlreiche Studien konnten das bereits belegen. Insbesondere Hörschäden, aber auch kreislaufbedingte Erkrankungen, Hormon- oder Schlafstörungen führen Wissenschaftler auf einen erhöhten Geräuschpegel zurück."Bei anhaltendem Lärm schüttet der Körper Stresshormone aus, die vor allem Herz und Kreislauf belasten", berichtet Katrin Oels, Kinderärztin der Fachambulanz für auditiv-verbale Spracherziehung in Berlin. Im schlimmsten Fall kann das zu einer dauerhaften Schädigung des Gehörs führen. "Besonders die Freizeitschwerhörigkeit nimmt immer mehr zu. Häufige Disco- und Konzertbesuche, lang andauerndes lautes Musikhören über Kopfhörer oder laute Knalle rufen irreparable Hörschäden durch Zerstörung der Sinneszellen hervor. Die Betroffenen hören dann alles wie durch Watte und oft stellt sich in den Ohren ein hoher Pfeifton ein", erklärt Oels.Risiko für BluthochdruckAuch der ganz alltägliche Großstadtlärm kann zum Gesundheitsrisiko werden. Das Umweltbundesamt (UBA) hat mehrere Studien zum Problemfall Lärm durchgeführt. So haben etwa Personen, die erhöhtem Nachtfluglärm ausgesetzt sind, häufiger höhere Blutdruckwerte als Menschen in ruhigeren Wohngebieten. Schon ein Anstieg des nächtlichen Fluglärmpegels um 10 Dezibel im Schallpegelbereich zwischen 30 und 60 Dezibel erhöht das Risiko für Bluthochdruck bei Frauen und Männern um rund 14 Prozent. Das geht aus einer internationalen Studie aus dem letzten Jahr hervor, an der das Umweltbundesamt mitwirkte. Rund 5000 Anwohner der Flughäfen Berlin, Amsterdam, Athen, London, Mailand und Stockholm nahmen an der europäischen Studie teil. Unabhängig davon steht jedoch von Straßenverkehr verursachter Lärm an erster Stelle der Lärmbelästigungen. Auch hier konnten die Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Lärm und höherem Blutdruck nachweisen. Bereits seit Anfang der 1970er-Jahre bemüht sich der Gesetzgeber, insbesondere die Lkws leiser zu machen. So wurden die zulässigen Grenzwerte für Lkws der Leistungsklasse über 150 kW schrittweise von 92 auf heute 80 Dezibel heruntergesetzt. Bei den Pkws fiel der zulässige Grenzwert von 84 im Jahre 1970 auf nunmehr 74 Dezibel. Doch ruhiger ist es auf den Straßen dennoch nicht geworden. Schließlich rollen trotz umweltpolitischer und technischer Innovationen immer mehr Fahrzeuge durch die Städte und über Land.Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist nachzulesen, dass das Risiko für spätere Herz-Kreislauferkrankungen bereits dann beginnt, wenn tagsüber an Häuserfronten stark befahrener Straßen 65 Dezibel zu verzeichnen sind. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, während des Tages einen Grenzwert von 55 Dezibel nicht zu überschreiten. Keine leichte Aufgabe, denn an vielen Orten, sogar in Büros, sind 60 Dezibel nicht selten.Inzwischen wird der städtische Lärm im Auftrag der EU europaweit kartiert. Die 2002 in Kraft getretene EU-Umgebungslärmrichtlinie sieht vor, für sämtliche Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über sechs Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr strategische Lärmkarten anzufertigen. Anhand dieser Karten können wiederum Aktionspläne zur Lärmminderung erstellt werden. Die Kartierungsergebnisse müssen der Öffentlichkeit und der EU mitgeteilt werden.Eingeschränkter LebensraumSelbst Tiere können einen Hörschaden durch unnatürlich hohe Geräuschpegel davontragen. Vor allem Vögel und Säugetiere meiden instinktiv die Nähe zu Lärmquellen. In Großstädten wird somit der Lebensraum der verschiedenen Tierarten stark eingeschränkt. An lauten Straßen hören zum Beispiel Vögel ihren eigenen Gesang nicht mehr. Das beeinträchtigt die Kommunikation der Tiere stark, sodass es für sie unmöglich ist, ihr Revier zu markieren oder Weibchen anzulocken.Der Lärm in der Stadt hat bereits dazu geführt, dass Vögel ihr natürliches Verhalten ändern: Einige Vogelarten singen nun auch in der Nacht. Je lauter es am Tage an einem bestimmten Platz ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Vögel in der Nacht singen. Zu diesem Schluss kamen Wissenschaftler der Universität Sheffield, die das Singverhalten von Rotkehlchen in urbanen Regionen untersuchten. Wie nachhaltig der Lärm in das Leben der Vögel eingreift, wird immer offensichtlicher. Während sich manche Arten andere Reviere suchen, ändern andere ihre Kommunikation. Der Ornithologe Dr. Henrik Brumm vom Max-Planck-Institut für Ornithologie im bayerischen Seewiesen fand bereits 2004 heraus, dass Nachtigallen in Berlin durchschnittlich 14 Dezibel lauter singen als ihre ländlichen Geschwister. Zusätzlich wächst die Lautstärke proportional zum steigenden Umgebungslärm und an Werktagen singen die Vögel lauter als am Wochenende. Die Ursache ist plausibel: Unter der Woche ist der Straßenlärm, gegen den sie ansingen müssen, wesentlich größer als am Wochenende. Einige Wissenschaftler befürchten deshalb, der Gesang könne sich auf lange Sicht so stark verändern, dass sich Vögel aus der Stadt und ihre Artgenossen vom Land nicht mehr erkennen werden. Dies könnte dazu führen, dass sich ganze Populationen teilen -in einen ländlichen und einen städtischen Zweig.Dass Vögel in lauter Umgebung hohe Töne in ihr Stimm-Repertoire aufnehmen, ist laut Martin Nipkow, Vogelschutzexperte beim Naturschutzbund Deutschland, kein neues und auch kein rein städtisches Phänomen. So ändern beispielsweise Wasseramseln und Eisvögel ihren Gesang, wenn sie an reißenden Flüssen heimisch sind. Erstaunlich findet der Experte aber, wie schnell die Anpassung in den Städten gelungen ist. Wie sehr sich der Lärm letztlich auf Gesang, Leben und Vielfalt der Tiere auswirkt, kann heute noch nicht abgeschätzt werden.------------------------------Wie man sich vor Lärm schützen kannWas ist Lärm?Geräusche, die uns stören oder zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen, werden als Lärm bezeichnet. Ob ein Geräusch als unangenehm wahrgenommen wird, hängt auch von der persönlichen Wahrnehmung ab. Das Ausmaß der Folgen wird daher nur zum Teil durch den Schalldruckpegel bestimmt. Er stellt dennoch den wichtigsten Bewertungsmaßstab für Lärm dar. Angegeben wird der Schalldruckpegel in Dezibel (dB). Obwohl die Lärmbelastung vor allem in den Städten spürbar wächst, wird dieses Problem in den Ballungszentren noch immer stark unterschätzt.Welche Auswirkungen hat Lärm?Hohe Schallintensitäten und chronischer Stress durch Lärm können zu zahlreichen Erkrankungen des Menschen führen. Eine der gewichtigen Folgen ist die Schwerhörigkeit. Zu viel Lärm kann zu Ohrgeräuschen (Tinnitus), Nervosität, hohem Blutdruck und Herz-Kreislauf-Beschwerden führen. Oft kommt es auch zu Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche sowie zu einer verminderten Lern- und Leistungsfähigkeit.Was schützt bei Lärm?Bei dauerhaft starkem Lärm hilft es, Ohrstöpsel zu tragen. Fernseher, Radio und Stereoanlage sollten möglichst leise eingestellt werden. Besonders bei der Verwendung von Kopfhörern ist Vorsicht geboten: Musik sollte nicht mit voller Lautstärke gehört werden. Auch beim Kauf von Kinderspielzeug kann bereits auf Lärmquellen geachtet werden. Viele Spielzeuge, die Geräusche machen, wie etwa Autos oder Spielzeugpistolen, liegen in der Lautstärke weit über der für die Gesundheit noch akzeptablen Schallgrenze. Die Geräusche von schallerzeugenden Geräten wie Lautsprechern, Kühlschränken oder Waschmaschinen lassen sich durch weiche Unterlagen dämpfen. Selbst beim Autofahren kann der Lärmpegel um ein gewisses Maß reduziert werden: Frühzeitiges Schalten und niedertouriges Fahren helfen dabei. Und im Stau sollten Autofahrer den Motor abstellen.Tag gegen den LärmAm 29. April 2009 findet der nächste "Tag gegen Lärm -International Noise Awareness Day" statt. Das Motto lautet: "Horch, das kommt von draußen rein!" Weitere Informationen unter: www.tag-gegen-laerm.de, www.lärmkarte.de.------------------------------Foto: Unsere moderne Welt wird nicht nur immer bunter, sondern auch immer lauter. Das hat zum Teil enorme Auswirkungen auf die Gesundheit.