Leitartikel : Olympia in Berlin? Begeistern Sie sich!

Die trivialen Witze sind schnell gemacht. Berlin? Olympische Spiele? Die kriegen ja nicht mal einen Flughafen gebaut! Stimmt. Das Debakel in Schönefeld ist eine Peinlichkeit ersten Ranges, die mittlerweile in jeden Winkel der Welt gedrungen ist. Es gibt kein einziges Argument, keinen Grund, der rechtfertigen könnte, dass die Länder Berlin und Brandenburg nicht in der Lage sind, auf freiem Baugrund ein so vergleichsweise übersichtliches Gebäude wie einen Flughafen im Zeitplan zu errichten. Und jetzt will Berlin, ausgerechnet Berlin, sich für eine logistisch so komplizierte und komplexe Aufgabe wie die Ausrichtung der Olympischen Spiele bewerben?

Warum nicht? Bevor wir uns jetzt in ein Mauseloch verkriechen, weil einige inkompetente Manager und Politiker versagen, sollten wir uns als selbstbewusste Bürger was trauen. Wo, wenn nicht in Berlin, können in Deutschland Olympische Spiele stattfinden? Wenn derzeit die Jugend der Welt in Kreuzberg, Mitte und Friedrichshain willkommen ist, dann sollte es möglich sein, auch den Sportlern der Welt eine passable Bühne zu bieten.

So weit, so schwierig. Wer sich die Fragen vorlegt, die der Deutsche Olympische Sportbund möglichen Bewerbern stellt, der wird schon wieder kleinlaut. „Warum will die Stadt Olympische Spiele ausrichten?“, heißt es da. Oder: „Wie kann der Sport in Deutschland und die olympische Bewegung profitieren?“ Und: „Wie können Berlin und die Bürger davon profitieren?“

Die Antworten aus der Politik sind derzeit noch wenig erhellend. Man will „bescheidene“ Spiele, eine „Bürgerolympiade“ soll es werden unter Beteiligung der Berliner. Das klingt nach Bürokratie, Formalismus, nach Pflichtbewusstsein. Bei so viel politischer Korrektheit und Allgemeinplätzen fragt man sich: Wo bleibt bei unseren Regierenden die Begeisterung? Wo die Vorfreude? Wo der Tatendrang?

„Wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere begeistern“. Oskar Lafontaine, einst Parteivorsitzender der SPD und damit Vorbild unseres Regierenden Bürgermeisters, hat diesen schlichten Satz berühmt gemacht. Und mit ihm möchte man jetzt Klaus Wowereit und Frank Henkel zurufen: Begeistern Sie sich! Seien Sie euphorisch für die Idee, in Berlin die Welt zu empfangen! Werben Sie bei den ewig skeptischen Berlinern für diese Idee! Freuen Sie sich!

Wenn aber am Anfang keine Begeisterung steht, wenn die Initiatoren des sportlichen Spektakels nicht überzeugt sind, werden die Schwierigkeiten unüberwindlich sein. Es geht bei einer Bewerbung um Olympia in Berlin ja um nicht mehr und nicht weniger, als uns selbst und die Welt davon zu überzeugen, dass Olympische Spiele zwar groß, aber nicht gigantisch sein müssen. Dass Sportstätten so gebaut werden können, dass sie später keine Ruinen sind. Dass ein Olympisches Dorf ein passables Wohnviertel werden kann. Dass Olympische Spiele viel Geld kosten, dieses aber gut angelegt ist.

Keine Mühe zu groß

Das Vorhaben kommt einer Revolution gleich. Immerhin wird Berlin, wird Deutschland antreten müssen gegen Staaten und Kontinente, für die Wachstum alles ist, und die so etwas wie Bürgerbeteiligung noch nicht einmal denken. Wenn wir aber als westliche Demokratie nicht wollen, dass die Spiele immer größer, die Kosten immer höher, und die Durchsetzung am jeweiligen Ort immer brutaler wird, sollten wir den Beweis antreten, dass es anders geht. Wenn wir nicht wollen, dass Peking oder Moskau oder Städte anderer autoritärer Staaten die besseren Bewerbungen abliefern, weil ihnen bei der Planung keine demokratischen Regeln im Weg stehen, müssen wir uns einen Ruck geben. Sollen Olympische Spiele nicht nur in Ländern abgehalten werden, wo für den Bau von Sportstätten Sümpfe trockengelegt, Berge abgetragen und Täler zugebaut werden dürfen, müssen wir es anders versuchen.

„Warum will Berlin Olympische Spiele ausrichten?“ Diese Frage verdient eine Antwort. Und eigentlich ist das nicht so schwer. In Berlin wurde 1989 die Mauer niedergerissen und eine Diktatur gestürzt. In Berlin wurde die Mauer in den Köpfen überwunden. Berlin hat sich aus der wirtschaftlichen Krise der Nachwendejahre hochgerappelt. Die Stadt hat Energie, Veränderungswillen und Gestaltungskraft. Und nicht zuletzt hat Berlin – wenn man so will – etwas gutzumachen. 1936 wurden in Deutschland die Olympischen Spiele für die nationalsozialistische Ideologie und ihren Terror missbraucht. Im 21. Jahrhundert kann das friedlich wiedervereinigte Land Spiele ausrichten, die von Gastfreundschaft, Weltoffenheit, Demokratie und Toleranz zeugen. Dafür darf uns keine Mühe und keine Anstrengung zu groß sein.